Sichere Infrastruktur für S-Pedelecs – SESPIN-Studie-Endbericht Zusammenfassung

Letzte Bearbeitung 13.04.25, Lesezeit ca. 50 Minuten

Übersicht

Hinweis und Einleitung

Alle Seitenangaben ohne zusätzliche Bemerkungen beziehen sich auf die PDF-Seiten im Sespin Endbericht, ebenso bei ganz unten angegebenen Quellen. Die Abbildungen werden hier mit freundlicher Genehmigung des „SESPIN-Teams“ veröffentlicht.
Diese Zusammenfassung kann man auch hier als PDF-Version betrachten und herunterladen …

Ende 2024 wurde der Endbericht des sehr umfangreichen Forschungsprojektes

SESPIN (Sichere und effiziente S-Pedelec Infrastruktur)

veröffentlicht. Es wurde durchgeführt von 2022-24 von einer D-A-CH-Kooperation durch die Auftraggeber Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Deutschland, Bundesministerium für Klimaschutz, Österreich und Bundesamt für Straßen, Schweiz, realisiert von den Auftragnehmern Würzburger Institut für Verkehrswissenschaften, Deutschland, Salzburg Research Forschungsgesellschaft, Österreich sowie Fachhochschule Nordwestschweiz, Schweiz.(Stemmler, et al., 2024)

Der ausführliche Endbericht als PDF-Version umfasst 309 Seiten, wem das zuviel ist, dem biete hier ich eine umfangreiche Zusammenfassung an. Diese wird stellenweise von meinen – entsprechend gekennzeichneten – eigenen Erfahrungen und Einschätzungen ergänzt. Also ich habe nicht ganz den Anspruch, ein rein wissenschaftliches Literaturreview zu liefern, sondern eher einen gut verständlichen Überblick.

Meine persönliche Sicht in meiner Rolle als „Versuchskarnickel“ in einer der Fokusgruppen und bei der Simulatorstudie (bei beiden die 1 ältere Frau unter den Probanden) ist da zu finden

Eine kompaktere Variante findet sich im Überblick in die neuere S-Pedelec-Studienlage, hier möchte ich noch weitere Details erwähnen, so kommt es zu größeren Überschneidungen.

Dieser Artikel hier enthält auch einige zusätzliche Grafiken. Im Aufbau folgt er weitgehend dem originalen Bericht

1. Überblick zu Ziel, Ablauf und Methoden der Studie

Im Bericht heißt es: „Ziel der vorliegenden Studie ist die Erarbeitung von wissenschaftlich validierten infrastrukturellen und techno-sozialen Lösungen zur sicheren und effizienten Einbindung von S-Pedelec-Fahrenden in das Verkehrssystem, die in Empfehlungen für Maßnahmen münden.“ (S.20)

Abgesehen vom Projektmanagement (AP1) gab es 3 Haupt-Arbeitspakete:

– AP2 Umfassende Literaturanalyse zur IST-Situation
– AP3 Akzeptanzanalyse: Ergebnisse aus Befragungen und Fokusgruppen flossen in die Ausgestaltung von
– AP4, der Simulatorstudie (SOLL Analyse) ein.

Deren Ergebnisse wiederum flossen in Feedbackschleifen in weitere Befragungen ein und bedingten sich wechselseitig.

2.   Umfeldanalyse

Als Grundlage für weitere Schritte erfolgte also zunächst eine umfassende Literaturanalyse mit Bezug zur D-A-CH-Region als auch im europäischen Kontext. Man schreibt: „Eine Standardisierung bzw. Angleichung der Regeln im europäischen Raum, wie es im Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr angestrebt wird, ist besonders im grenzüberschreitenden Raum wünschenswert.“ (S. 23)

2.1   Länderspezifische, verkehrsrechtliche Regelungen

Eingangs wurden die Details der länderspezifischen verkehrsrechtlichen Regelungen gegenübergestellt (S. 24-28), wie zuvor in oben erwähnter Studien-Übersicht im Kapitel über die ZIV-Studie behandelt wurde. Der Vollständigkeit halber ist dieses hier weitgehend gleichlautend eingefügt, allerdings ergänzt um eine Übersichtstabelle zu den D-A-CH-Ländern (überspringen)

Der ZIV (Zweirad Industrieverband) hat mit der Arbeit „Wo fahren S-Pedelecs?“
eine Übersicht über die verschiedenen Regelungen in 6 europäischen Ländern vorgelegt.
Hier eher knapp zusammengefasst:
Was in allen Ländern weitgehend ähnlich ist (auch in dem Nicht-EU-Land Schweiz):

Max. bis 45 km/h bis 4kW, Fahrzeug benötigt COC= „Certificate of Conformity“ als Bestätigung, dass das Fahrzeug der EU-Betriebserlaubnis (Kategorie L1e-B) entspricht, Fahrerlaubnis, Mindestalter von 14-16 Jahre, Helmpflicht mit Unterschieden an die Anforderungen des Helms
Als erforderliche Ausstattung sind weitgehend gleich: Tacho, Dauerlicht, Bremslicht, linksseitiger Rückspiegel, Hupe und Reflektoren an Gabel.

2.1.1   Regelungen in den D-A-CH-Ländern

Die Regeln für Deutschland wurden ja schon erläutert z.B. in der eingangs erwähnten Kurzfassung, fast dieselben gelten für Österreich, es gibt aber auch einige Unterschiede, diese sind:

Deutschland: Fahren auf Radwegen entsprechend STVO weitgehend nicht erlaubt, Ausnahmen sind in nur in den Bundesländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen mittlerweile möglich nach Einzelprüfung von Strecken mit Zusatzschild „S-Pedelec-frei“, Anwendung für ca. 80 km in der Stadt Tübingen und ansonsten sehr vereinzelte realisierte Umsetzung in BW und in Planung (in BW und NRW), ansonsten ein einzelner Verkehrsversuch in Hessen.

Österreich: Behörden können über ganz Österreich hinweg Radwege freigeben, nach meinem aktuellen Kenntnisstand ist jedoch noch nicht davon Gebrauch gemacht worden. Auf gemischten Geh- und Radwegen (ausserorts) muss von Lenkenden von Kraftfahrzeugen jedoch ein Tempolimit von 10 km/h eingehalten werden, wenn sie sich Fußgängerinnen und Fußgängern nähern (§8a Abs. 3 StVO).

Eine Besonderheit ist die Pflicht, das Fahrzeug jährlich begutachten zulassen (§ 57a KFG, „Pickerl“), etwas Ähnliches wie eine „TÜV-Prüfung“.
Dazu möchte ich ergänzen, dass die meisten Werkstätten „überfordert“ sind, weil sie entweder für Fahrräder oder (Verbrenner-) Mopeds zuständig sind … (wie ich in manchen Foren schon lesen konnte).
Außerdem muss ein Verbandspäckchen mitgeführt werden.

– in der Schweiz ist die Nutzung von Radverkehrsanlagen völlig anders als in Deutschland und Österreich geregelt: für S-Pedelec-Fahrende sind sie obligatorisch, heißt, diese müssen genutzt werden. Es bestehen keine Geschwindigkeitsbegrenzungen; die Fahrenden sind dazu angehalten, eine angemessene Fahrweise zu wählen, die die anderen Personen im Straßenverkehr nicht gefährdet. (ZIV/Mobycon, 2023).

In der Schweiz sieht man es so im Bericht des Bundesrates „Verkehrsflächen für den Langsamverkehr“ (Bundesrat Schweiz, 2021, S. 25):

„Schnelle E-Bikes […] müssen die Radinfrastruktur benützen. Diese Schweizer Sonderregelung macht die schnellen E-Bikes für die Nutzer attraktiv und unterstützte deren große Verbreitung in den letzten Jahren. Aufgrund der Geschwindigkeitsunterschiede fordern verschiedene Seiten eine Entflechtung von schnellen E-Bikes und konventionellen (E-) Velos. Dieses Unbehagen gegenüber den schnellen E-Bikes lässt sich durch die Unfallstatistik nicht begründen. Bisher lassen sich daraus kaum Unfälle herauslesen, die auf die gemeinsame Nutzung von Verkehrsflächen mit konventionellen Velos oder Fußgängern
zurückzuführen sind. Schnellen E-Bikes die Nutzung von Radwegen und Radstreifen zu verbieten – analog der Regelung in der EU, wo diese Fahrzeuge als Kleinmotorräder gelten – dürfte in der Schweiz aufgrund ihrer großen Verbreitung auf wenig Akzeptanz stoßen. Eine Pflicht für einen höherwertigeren Fahrausweis und die damit verbundene Ausbildung wären aus Sicherheitssicht zwar sinnvoll, würde den Zugang zu dieser Kategorie und damit ihre Verbreitung aber deutlich einschränken (in EU-Ländern spielen schnelle E-Bikes nur eine marginale Rolle). Dies hätte auch Konsequenzen für die Schweizer Herstellerbetriebe. Aus Sicht des Bundesrates überwiegt der Nutzen des verkehrlichen Potentials von schnellen E-Bikes die Risiken durch die Nutzung der Radverkehrsflächen. So lange sich aus den Unfallstatistiken kein Handlungsbedarf belegen lässt, soll der Zugang zu und die Benützung von E-Bikes mit Tretunterstützung bis 45 km/h gegenüber der heutigen Regelung nicht eingeschränkt werden. Insbesondere sollen die schnellen E-Bikes den größten Teil der Radinfrastruktur weiterhin benützen dürfen.“ (Bundesrat Schweiz, 2021)

In der Schweiz wurde allerdings diskutiert, vermutlich auch mit dem Hintergrund der hier vorgestellten SESPIN-Studie, ob die Radwegbenutzungspflicht in eine Wahlfreiheit überführt werden solle.
Update: Änderungen treten in Kraft zum 1. Juli 2025, siehe Der Bundesrat der Schweiz hat die Regeln für E Bikes aktualisiert und fördert damit den Langsam- Verkehr https://www.astra.admin.ch/astra/de/home/fachleute/fahrzeuge/vernehmlassung-verkehrsflaechen.html ).

Im Übrigen dürfen in der Schweiz auch Kinder im Anhänger am S-Pedelec transportiert werden, macht auch Sinn, da sie dort ja nicht auf der Straße fahren müssen. Wie ich finde absurderweise, ist die Mitnahme in D und A theoretisch auf dem Kindersitz erlaubt, was – entsprechend meiner ausgiebigen Erfahrung – viel weniger sicher ist (der Anhänger mit Kupplung an der Hinterradachse bleibt normalerweise stehen, wenn das Fahrrad umfällt).

Zuletzt sei noch angemerkt, dass S-Pedelecs in der Schweiz einem vereinfachten Zulassungsverfahren unterliegen.

Angesichts von insgesamt günstigeren Umständen sind sie in der Schweiz recht beliebt, der Anteil von verkauften S-Pedelecs an allen E-Bike Verkäufen liegt bei 10 % im Vergleich zu 0,5% in Deutschland.

Tabelle zu den Verkehrsrechtlichen Regelungen zu S-Pedelecs Deutschland österrreich Schweiz im Vergleich
Tabelle zu den verkehrsrechtlichen Regelungen zu S-Pedelecs Deutschland Österreich Schweiz im Vergleich
Quelle: SESPIN Endbericht, S. 25

Die Nutzung der Verkehrsflächen und andere Bestimmungen können die Länder selbst festlegen, es folgen nun noch die wichtigsten …

2.1.2   Eckdaten von den betrachteten Ländern im europäischen Umfeld

In den Niederlanden gilt für S-Pedelecs die Einstufung als Moped, somit ist das Fahren auf Radwegen verboten, sie müssen auf der Fahrbahn fahren (Geschwindigkeitsbegrenzung von 45 km/h) oder auf den verbreiteten Rad- und Mopedwegen („Bromfietspad“), im Ortsgebiet mit maximal 30 km/h, außerhalb des Ortsgebiets maximal 40 km/h).

Belgien hat mit der “Moped Class P Speed Pedelec” eine eigene Kategorie geschaffen

Bei einem Tempolimit bis zu 50 km/h haben S-Pedelec-Fahrende – auch innerorts – Wahlfreiheit zwischen Fahrbahn und Radweg. Bei einem höheren Tempolimit (bspw. außerhalb des Ortsgebiets) müssen sie den Radweg benutzen. Den lokalen Behörden ist es möglich per Beschilderung die Nutzung von Infrastruktur für S-Pedelecs zusätzlich freizugeben bzw. einzuschränken.

In Dänemark wurden mit 1. Juli 2018 Radverkehrsanlagen als Pilotversuch für S-Pedelecs freigegeben. Es gelten dieselben Regeln wie für normale Fahrräder. Eine Auswertung steht derzeit aus.

Darüber hinaus gelten in den meisten anderen Ländern der EU die Bestimmungen für Mopeds aufgrund der EU-Klassifizierung, das heißt, mit S-Pedelecs dürfen Radwege nicht genutzt werden.

Meine Ergänzung aus anderen Quellen (u.a. ZIV – Zweirad Industrie Verband, 2024):
Man sieht also, dass die gesetzliche Regulierung durchaus einen großen Einfluss auf die Attraktivität von S-Pedelecs hat. Je nach Rahmenbedingungen kann man sehr unterschiedliche Verbreitungshäufigkeit feststellen,

S-Pedelecs pro 1000 EinwohnerInnen in:
Schweiz                  12
Belgien (Flandern)  12
Niederlande              <1
Deutschland              <1

Ein weiterer Teil der Umfeldanalyse liefert umfangreiche Informationen zur Gestaltung von Radverkehrsanlagen, insbesondere von verschiedenen Anlagenbreiten und Nutzungstypen in der D-A-CH-Region, welche danach in die Planung der Simulatorstudie einflossen. Die Einzelheiten entnehme man dem Original. (S. 29 – 36)

2.2 Charakteristika der S-Pedelec-Nutzung, verfügbare Forschungsarbeiten

Zu den Vorbereitungen gehörte auch, per Literaturanalyse etwas über Charakteristika der (S-) Pedelec-Nutzung zu erfahren, also über Geschwindigkeit, Sicherheitsempfinden, Gefahrenpotentiale, nutzerspezifische Unterschiede usw.. Abschließend wurden Ideen für die Integration von S-Pedelecs in den Straßenverkehr beleuchtet.

Hier vertiefe ich stellenweise die Zusammenfassung aus dem vorher erwähnten Artikel.

In vielen Studien zeigt sich, dass Nutzende mit dem S-Pedelec auf vielen Wegen einen PKW ersetzen.
Beispielsweise gaben in einer niederländischen Studie „85 % der Befragten an, mindestens einmal pro Woche ein S-Pedelec für eine Strecke zu nutzen, die sie sonst mit dem Auto zurückgelegt hätten“ […]

Außerdem: „Stressabbau und der Aufenthalt in der Natur spielen zudem für bestimmte S-Pedelec Nutzende ebenfalls eine wichtige Rolle.“ […] „Alle Nutzergruppen gaben jedoch an, dass die Radverkehrsinfrastruktur auf ihren regulären Routen im Durchschnitt für S-Pedelecs unzureichend ausgebaut ist.“  (S. 38).

Diverse Untersuchungen kommen zum Ergebnis, dass die ermittelten Durchschnittsgeschwindigkeiten bei rund 24-33km/h lagen, diese sind bedingt durch Unterschiede im Studiendesign.

Twisk et al. (2021) untersuchten – allerdings nur mit 46 Teilnehmenden insgesamt – Geschwindigkeitsunterschiede von S-Pedelecs, Pedelecs und konventionellen Fahrrädern unter städtischen oder ländlichen Bedingungen in den Niederlanden. „Im Vergleich zu herkömmlichen Fahrrädern sind S-Pedelecs in der Stadt im Durchschnitt 10,4 km/h und auf dem Land 13,2 km/h schneller. Männliche Fahrer sind unabhängig vom Fahrradtyp schneller unterwegs als Fahrerinnen.“ (S.38)

Ebenfalls in den Niederlanden wurde durch Stelling et al. (2021) das Verhalten von S-Pedelec-Fahrenden auf Radwegen im innerstädtischen Bereich beobachtet, dabei ergaben sich zusammenfassend folgende Ergebnisse:

  • „S-Pedelec-Fahrende fuhren im Durchschnitt 22,5 % der Strecke illegal auf Radwegen.
  • Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf den Radwegen betrug 28,5 km/h und auf der Fahrbahn 31,9 km/h.
  • 350-Watt-Fahrer reduzierten ihre Geschwindigkeit auf Radwegen stärker als 500-Watt-Fahrer.
  • Auf der Fahrbahn waren die S-Pedelec-Fahrenden mit negativen Reaktionen des motorisierten Individualverkehrs (MIV) konfrontiert und wurden vom MIV oft als verkehrsbehindernd angesehen.“ (S.39)

In der „Pedelec-Naturalistic Cycling Study“ der TU Chemnitz von 2014 wird als Durchschnittsgeschwindigkeit genannt für S-Pedelecs 23,2 km/h gegenüber 17,4 km/h bei Pedelecs und 15,3 km/h beim Fahrrad, „wobei Maximalgeschwindigkeit der S-Pedelecs nicht ausgereizt wurde“ … „Eine Videokodierung zeigte, dass auch Art und Anzahl der kritischen Situationen vergleichbar waren.“

Befragt nach Ihrer Nutzungserfahrung „zeigten sich die meisten Teilnehmenden positiv bezüglich der S-Pedelecs. Viele Teilnehmende erlebten erst durch die Nutzung, dass die Maximalgeschwindigkeit von 45 km/h nicht die gewöhnliche Fahrgeschwindigkeit darstellt. Die erwarteten Motivatoren und Barrieren wurden überwiegend bestätigt. Die zu verbessernde Infrastruktur war bei fast allen ein Thema.

Vorteilhaft zeigte sich die Möglichkeit, zwischen Radinfrastruktur und Straße zu wechseln. Gleichzeitig wurde regelwidrig auf Radwegen gefahren, wobei bemängelt wurde, dass die Wegführung noch nicht an S-Pedelecs angepasst sei. Dadurch wurden teilweise negative soziale Interaktionen aufgrund fehlender Akzeptanz bei Rad- oder Pkw-Fahrenden erlebt. Die Teilnehmenden fühlten sich keiner Gruppe zugehörig. Entsprechend passten die meisten ihre Route im Verlauf der Zeit an, um auf bessere Infrastruktur und Straßen mit weniger Verkehr auszuweichen.“ (S.41, SESPIN zitiert Van den Steen)

Die österreichische Studie „POSETIV“ untersuchte Alltagstauglichkeit und Potenzial von S-Pedelecs als Verkehrsmittel für den Arbeitsweg sowie das Förderungspotenzial durch Gesetzesänderungen.

Auch sie stellten fest, das technisch Mögliche von 45 km/h wird wenig ausgenutzt: Innerorts wurde durchschnittlich 28,7 km/h gefahren, ausserorts 31,7 km/h (23,9 und 24,6 km/h mit Pedelecs).

Ca. 31 % fänden einen zeitlichen Mehraufwand von S-Pedelecs im Vergleich zum Pkw akzeptabel. Die Führerschein-, Kennzeichen- und Versicherungspflicht stellten kein Hindernis dar, wohl aber das Nutzungsverbot von Radverkehrsanlagen. Überholmanöver durch Pkws führen zu einem Gefährdungsgefühl. (Zuser, et al., 2021)

Auch in einer belgischen Studie machte man die Beobachtung, dass die Reisegeschwindigkeiten der Männer durchwegs höher waren als die der Frauen (Mittelwerte: Männer 32,2 km/h, Frauen 29 km/h).

„Eine Empfehlung der Studie ist, dass besonders politische Entscheidungsträger die aktive Fortbewegung mit den entsprechenden Vorteilen für die körperliche und geistige Gesundheit fördern können, indem sie in Strecken investieren, auf der mit höherer Geschwindigkeit gefahren werden kann, diese entsprechend für S-Pedelecs ausweisen und umgekehrt, aber auch andere Strecken für „langsamere“ Fortbewegungsmittel reservieren.“ (S. 43 im Endbericht, zitiert Herteleer et al., 2022)

Zwar ohne expliziten S-Pedelec Bezug, aber verwertbar ist dies:
„Ergebnisse aus der Studie “Duale Radlösung” des Research Lab für Urban Transport  geben Einblick zum Prinzip der Wahlfreiheit, d.h. zur Möglichkeit, dass Radfahrende zwischen der Nutzung der Straße oder Radverkehrsanlagen wählen können. […] Vor allem das Thema „Sicherheitsgefühl“ ist stark mit dem Fahren auf der Gehweginfrastruktur verbunden. Mit der Fahrt auf der Fahrbahn werden die Themen „schnelleres Vorankommen“ und „besserer Bodenbelag“ assoziiert. Die örtlichen Begebenheiten wurden von den Teilnehmenden teilweise unterschiedlich bewertet, jedoch wurde immer diese Tendenz festgestellt: Männliche Befragte wählten öfter die Fahrbahn, sowie auch Personen, die angaben, sich beim Radfahren stark und furchtlos zu fühlen.“ (S. 44 im Endbericht zitiert Schäfer et al., 2021)

Wie ich meine auch etwas aufschlussreich dazu ist dies von der Unfallforschung der Versicherer: https://www.udv.de[…]aufhebung-der-benutzungspflicht-von-radwegen-data.pdf

An dieser Stelle ein Einschub von mir aus einem anderen Abschnitt der SESPIN-Studie, da ich meine, dass es wichtig ist den Zusammenhang zu verstehen von …

2.3 Geschwindigkeit und Eigenleistung

Dass die ermittelten Durchschnittsgeschwindigkeiten nicht wie erwartet höher sind, liegt an der Natur der Unterstützungsart durch den Motor, welcher nicht rein autonom, sondern „muskelkraft-elektrisch“, also nur in Abhängigkeit von der variablen, eingebrachten Muskelkraft Antrieb verschafft. Zusammen mit der Tretkraft ergeben sich real nur üblicherweise 250 bis 1000 Watt = 0,25-1 Kw, weshalb die Einstufung als Moped dem S-Pedelec nicht gerecht wird. Es ergibt sich ein vorwiegendes von Reisetempo oft 25 – 38 km/h.

Grafik Eigenleistung (Soll) in Abhängigkeit der Unterstützungsstufe und der Fahrgeschwindigkeit
Quelle: SESPIN-Endbericht

„Abbildung 8.1.1-2 zeigt die für das oben genannte Beispiel die notwendige Eigenleistung in Abhängigkeit des Unterstützungsgrads und der gefahrenen Geschwindigkeit für ein S-Pedelec. Bei einer Eigenleistung von ca. 100 Watt und einer Unterstützung von 340 % wäre demnach eine Geschwindigkeit von ca. 36 km/h erwartbar. Zum Erreichen einer Geschwindigkeit von 45 km/h wäre demnach im nicht unterstützten Fall eine Eigenleistung von ca. 830 Watt notwendig, bei höchster Unterstützungsstufe noch ca. 190 Watt. Dies würde dann einer Beaufschlagung von ca. 640 Watt entsprechen, was allerdings über der Maximalleistung des Motors liegen würde (600 Watt, siehe Beispiel oben). Demnach entspräche, bei einer maximalen Unterstützung von zusätzlich 600 Watt, die tatsächliche maximale unterstützte Eigenleistung ca. 176 Watt, was einer Geschwindigkeit von 44 km/h entspräche.“ (S. 226)

Ergänzung: Da noch einiges weiteres von mir zu Muskel- und Motorleistung usw.

2.4 Reisezeit Vergleich nach Verkehrsmittel

In Dänemark wurde die Radinfrastruktur für S-Pedelecs im Jahr 2019 freigegeben, allerdings wurden noch keine Evaluationsberichte zu Auswirkungen auf die Unfallstatistiken und das Nutzungsverhalten veröffentlicht.

Dennoch kommt aus Dänemark ein Ergebnis zur Reisezeit mit dem S-Pedelec insbesondere im Bezug auf eine geeignete gut ausgebaute Infrastruktur: das Netzwerk der “Super Cycle Highways“ in Dänemark (Supercykelstier) soll bis 2030 ca. 680 Kilometer umfassen und verbindet Außenbereiche im Großraum Kopenhagen mit der Innenstadt. Der Cycle Superhighway Bicycle Account (2020) zeigt unter anderem das Potenzial dieser Infrastruktur für S-Pedelec-Nutzende auf, wie z.B. auf der Verbindung zur 30km entfernten Region.

Balkendiagram Vergleich der Reisezeit von den Verkehrsmitteln Auto Fahrrad öffentlicher Verkehr S-Pedelec mit Radschnellweg aus Dänemark
Quelle: SESPIN-Enbericht

2.5 Vorschläge zur Integration von S-Pedelecs

In der Literatur werden verschiedene Vorschläge für Maßnahmen gemacht bzw. werden in unterschiedlichen Varianten auch in der Praxis erprobt. Kurzgefasst sind es diese:

– (Freiwillige oder obligatorische) Geschwindigkeitsreduktion S-Pedelecs bei Überholvorgang von anderen VerkehrsteilnehmerInnen

– Außerorts: Freigabe von S-Pedelecs für baulich getrennte Radverkehrsanlagen (Benutzung mit oder ohne Tempolimit)

– Innerorts: Freigabe von S-Pedelecs für Radverkehrsanlagen (Benutzung mit Tempolimit zwischen 25 – 30 km/h) Bzw. Wahlfreiheit bei der Nutzung von Radverkehrsanlage oder Straße(Fahrbahn/-streifen) auf Basis individueller Verantwortung zur Anpassung an Infrastruktur und Verkehrsaufkommen

– technische (automatische) Geschwindigkeitskontrolle

(vgl. S. 48-51)

2.6 Beispiele für Umsetzung

Sowohl in Deutschland als auch Österreich finden sich in den Radverkehrsplänen Absichtserklärungen, Lösungen für die S-Pedelec-Nutzung erarbeiten zu wollen.

Im deutschen NRVP 3.0 wird als Ziel formuliert: „Der Bund überprüft die Radwegbenutzungspflicht für Lastenräder und das Radwegebenutzungsrecht ausserorts für S-Pedelecs.“ (BMVI, 2021, S. 24)

In Deutschland wurden allerdings wie erwähnt nur an einzelnen Strecken in BW sowie in der Stadt Tübingen – mit großem personellem Einsatz – Radwege für S-Pedelecs freigegeben. Da von dort seit „2020 keine Unfälle mit S-Pedelecs gemeldet wurden, wird die Freigabe durchaus positiv bewertet.“ (S. 46)

„Im österreichischen Masterplan Rad 2015-2025 werden zukünftige Aktivitäten zu S-Pedelecs dahingehend erwähnt, dass es geplant ist, ‚die rechtliche Klarstellung für S-Pedelecs ist auf europäischer und österreichischer Ebene voranzutreiben‘ (S. 42)“ (S.44). „In Österreich gibt es seit 1. Oktober 2022 durch die 33. Novelle der StVO (§ 8 Abs. 4) für Behörden die Möglichkeit, Radverkehrsanlagen außerorts nach eingehender Prüfung für S-Pedelecs freizugeben […]  Zum derzeitigen Stand (03/2023) sind in Österreich keine Pilotprojekte zur S-Pedelec-Freigabe bekannt.“ (S.46) (Anm.: A.Hz: mir ist auch bis April 2025 nichts dergleichen zu Ohren gekommen.)

Die Haltung in der Schweiz wurde hier an anderer Stelle schon wiedergegeben, nämlich S-Pedelecs weitgehend wie Fahrräder zu behandeln und den bisherigen Kurs beizubehalten bzw. siehe oben, ab Juli 2025 treten neue Regeln in Kraft, S-Pedelec-Fahrende müssen Radinfrastruktur dann nicht nutzen, wenn ein Zusatzschild sie als „freiwillig“ ausweist, also damit wird eine gewisse Wahlfreiheit geschaffen.

Die Ergebnisse der Umfeldanalyse flossen in das dann folgende Arbeitspaket ein.

3. Akzeptanzanalysen

Mit qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden sollte mittels Fokusgruppen und Befragungen verschiedener VerkehrsteilnehmerInnen näher beleuchtet werden:
– Welche Regelungen werden von unterschiedlichen Verkehrsteilnehmenden akzeptiert?
– Welche Umwege werden von S-Pedelec-Fahrenden noch akzeptiert?
– Welche Kriterien für die Auswahl von Anlagen sind sinnvoll und wie sollten diese gestaltet sein?

3.1 Qualitative Analyse in Fokusgruppen

In den nach Drehbuch geführten Fokusgruppen (N 33 in 3 Ländern) wurden Einstellungen zu verschiedenen Maßnahmen diskutiert, wichtige Ergebnisse sind:

„S-Pedelec-Fahrende werden durch sich selbst als auch durch Andere als vulnerable Gruppe wahrgenommen, für deren Sicherheit gesorgt werden muss. Darum ist die Akzeptanz der Eingliederung in Radfahranlagen … besonders hoch“ (wie ich meine – interessanterweise – auch bei den weiteren vulnerablen VerkehrsteilnehmerInnen).

– Allerdings ist sie auch zumeist an akzeptanzfördernde Kriterien wie Geschwindigkeitsbegrenzung oder Wegebeschaffenheit geknüpft, denn es werden durchaus auch Bedenken bezüglich der Sicherheit für die Mischnutzung von Rad-und Fußwegen genannt. (S. 70)

„Aus der Diskussion in den Fokusgruppen lässt sich ableiten, dass eine Eingliederung in Radfahranlagen respektive eine Wahlfreiheit von S-Pedelec-Fahrenden die größte Akzeptanz genießt. Die Eingliederung auf Radfahranlagen insbesondere für außerorts wird als die sichere Option wahrgenommen. Eine Wahlfreiheit würde kompetenten S-Pedelec-Fahrenden zusätzlich ermöglichen insbesondere innerorts effizient vorwärtszukommen und auf den Radwegen Platz zu schaffen.“ (S. 66)

Diese Einschätzung der Wahlfreiheit kann ich als Nutzende vollumfänglich bestätigen – wie an vielen anderen Stellen in diesem Blog beschrieben, ist die potenzielle Geschwindigkeit und damit die für alle Beteiligten sinnvollste Wahl zwischen Straße oder Radwegen von sehr vielen Faktoren abhängig (Verkehrsaufkommen je nach Tageszeit und Strecke, Wetterlage, Steigungen, momentaner Zeitdruck, Begleitung durch Andere oder Fitnesslevel usw.) und die Entscheidung sollte den FahrerInnen je nach aktuellen Umständen überlassen bleiben.

Für besonders schnelles Vorankommen nehmen die furchtloseren Nutzenden die Risiken auf der Fahrbahn eher in Kauf, die vorsichtigeren begnügen sich damit, auch mit nicht voller Geschwindigkeit auf den Radwegen zu bleiben (so meine Vermutung, wie man es aus dem  – auch wissenschaftlich untersuchten – Verhalten von Radfahrenden kennt).

Weitere besprochene Aspekte waren Infrastruktur und bauliche Maßnahmen sowie Prävention und Sensibilisierung.

Dazu nur soviel: naheliegend ist, wie wir es von den Forderungen für den sonstigen Radverkehr kennen, dass eine gut ausgebaute Radinfrastruktur natürlich auch den Anforderungen für S-Pedelecs besser gerecht wird.

Präventionsmaßnahmen werden weitgehend positiv gesehen.

Einzelne Details werden im folgenden Abschnitt nochmals aufgegriffen.

3.2 Quantitative Analyse

Auf Grundlage der qualitativen Befragungen erfolgte daraufhin die quantitative Analyse mittels Online-Befragung (von N 859 Teilnehmenden + 604 Stichprobe), diese vor allem zur Akzeptanz, und eine Stated-Preference-Befragung mit Fokus auf Akzeptanz von Umwegen und auf Präferenzen bezüglich der Wahl der Strecke in Abhängigkeit zur Gestaltung von Anlagen.

Sie sollte der quantitativen Bestätigung der Faktoren dienen, die die Akzeptanz der Integration von S-Pedelecs in das bestehende Verkehrssystem beeinflussen (S.71).

Der Bericht stellt die Einzelheiten der Rekrutierung von Teilnehmenden sowie die Methoden der Experimente ausführlich auf den Seiten 70-94 dar, was ich aber hier auslasse. Für wissenschaftlich sehr Interessierte kann das eventuell bezüglich der Validität der Studie durchaus von Bedeutung sein.

3.2.1   Akzeptanz für Eingliederungsmaßnahmen

Bei der Akzeptanz für Eingliederungsmaßnahmen wurde unterschieden nach innerorts und außerorts, es konnte – unabhängig von Perspektive und den Ländern – vieles festgestellt werden, was sich auch schon in den Fokusgruppen zeigte.

 „Während innerorts eine Eingliederung der S-Pedelecs in den Mischverkehr mit MIV eher Akzeptanz findet“, schließlich ermöglicht dies effizienteres Vorwärtskommen, „so ist die Akzeptanz für die Eingliederung auf Radfahranlagen außerorts größer im Vergleich zu innerorts.“ (S.71)
Insgesamt wird die Eingliederung in den Mischverkehr mit MIV, besonders außerorts, eher nicht als akzeptabel bewertet, Zustimmung über alle Nutzergruppen nur rund 40%. (vgl. S. 95 sowie S.102/3)

Balkendiagram zur Akzeptanz der Eingliederungsmaßnahmen von S-Pedelecs nach Ortslage
Quelle: SESPIN Endbericht

Die Analyse von Eingliederungsmaßnahmen außerorts zeigt wiederum, dass die Eingliederung in Radfahranlagen (M = 3,68, SD = 1,16) auf die höchste Akzeptanz stößt und ein statistisch relevanter Unterschied zu allen anderen Maßnahmen besteht. Die Akzeptanz für die Eingliederung in gemeinsame Geh- und Radwege (M = 3,37, SD = 1,31) ist jeweils signifikant höher als für Mischverkehr mit MIV (M = 3,10, SD = 1,32) und Wahlfreiheit (M = 3,12, SD = 1.39). Es besteht kein statistisch relevanter Unterschied zwischen der Eingliederung in den Mischverkehr mit MIV (M = 3,10, SD = 1,32) und Wahlfreiheit (M = 3,12, SD = 1,39).

Im Gesamtergebnis ergab sich dieses Bild zur Akzeptanz nach Gruppen:

Abbildung 6 Akzeptanz der Eingliederungsmaßnahmen überall Quelle: SESPIN Endbericht
Quelle: SESPIN - Endbericht

„Die Eingliederung von S-Pedelecs in Radfahranlagen wird von allen Verkehrsteilnehmenden positiv beurteilt und liegt bei der Eingliederung sowohl inner- als auch außerorts zwischen 56 % und 64 % (Kategorien 4=akzeptabel und 5=sehr akzeptabel). … Die Akzeptanz für eine Eingliederung in Radfahranlagen im Allgemeinen liegt zwischen 43 % und 61 %. Ein signifikanter Unterschied in den Mittelwerten zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmenden zeigte sich nicht.(S. 103)

Hervorzuheben ist die doch merklich hohe Akzeptanz der Rad- und besonders den Pedelec-fahrenden S-Pedelecs in die Radinfrastruktur zu integrieren und auch ihnen Wahlfreiheit zu gewähren sowie die insgesamt über alle Gruppen hinweg zu den vorgeschlagenen Maßnahmen eher geringe direkte Ablehnung (1 sehr inakzeptabel oder 2 inakzeptabel).(vgl. S. 104/5)

Die Akzeptanz für Integration Radfahranlagen liegt in allen Gruppen deutlich über 50 %, für inakzeptabel hingegen halten das verteilt über alle Gruppen nur rund 15%. (vgl. Abb. 8.2.4-2, S. 300)

Bemerkenswert finde ich die sehr geringe Akzeptanz von Integration in MIV-Mischverkehr v.a. bei Autofahrenden, vermutlich entweder, weil eine gewisse Gefahr für den Autoverkehr gesehen wird oder aufgrund der Erwartung, behindert zu werden, dasselbe könnte auch hinter dem niedrigen Wert bei Autofahrern für die Wahlfreiheit stecken. Im Gegensatz dazu herrscht wohl eine gewisse Solidarität bzw. Verständnis bei schwächeren VerkehrsteilnehmerInnen, obwohl diese sich vielleicht eher um Ihre Sicherheit sorgen könnten. (vgl. S. 103/4)

„Die Eingliederung in gemischte Anlagen (Straße und/oder gemeinsam genutzte Geh- und Radwege) wird von der Nutzergruppe am wenigsten akzeptiert, mit der die entsprechende Anlage geteilt werden müsste. Gleiches gilt für die Wahlfreiheit hinsichtlich Anlagenbenutzung.“ (S.197)

Was die automatische Geschwindigkeitsreduktion betrifft, „überwiegen negative Faktoren, da die Maßnahme auch von den übrigen Verkehrsteilnehmenden als unfair und einschränkend wahrgenommen wird. Einzig bei einer Eingliederung in Radfahranlagen wird die Geschwindigkeitsregulation als akzeptable Bedingung wahrgenommen. Präferiert würde aber eine Regelung über die Straßenverkehrs-Ordnung.“ (S.68)

3.2.2   Akzeptanz von sonstigen Maßnahmen:

Geschwindigkeitsbegrenzungen und die Sicherheitsmaßnahmen Helmpflicht und – freiwilliges – Fahrsicherheitstraining werden mehrheitlich sehr gut akzeptiert, auch von den S-Pedelec-Fahrenden selbst.

„Die Helmpflicht weist ein Akzeptanzniveau von 75 % auf, gefolgt von einem freiwilligen Fahrsicherheitstraining mit 73 % Zudem geben 62 % der Teilnehmenden an, ein verpflichtendes Fahrsicherheitstraining zu akzeptieren.“ (S.114/5)

Die Akzeptanz zur Mitnahme von S-Pedelecs im öffentlichen Personenverkehr ist in allen Perspektiven hoch, Mittelwert bei 3-3,9 (Skala 1 = sehr inakzeptabel; 5 = sehr akzeptabel), die für das Abstellen bei Abstellanlagen an Haltestellen des ÖPV ebenfalls, im Mittel bei 4,12. (S.113/4)

„Die Akzeptanz von Wahlfreiheit für S-Pedelec-Fahrende überall ist [statistisch signifikant] am höchsten bei S-Pedelec-Fahrenden mit 61 %, gefolgt von Pedelec-Fahrenden mit 44 %. Die geringste Akzeptanz geben Zufußgehende (23 %), Autofahrende (24 %) und ÖV-Nutzende 25 % an“, in diesen Gruppen besteht kein signifikanter Unterschied. „Fahrradfahrende akzeptieren diese Maßnahme zu 34 % (siehe Abbildung 3.3.4-11)“ (S. 106) bzw. 28% sprechen sich dagegen aus.

Bei Radfahrenden herrscht zur Wahlfreiheit nicht allzu große Zustimmung. Ich vermute, dabei spielt auch das Gerechtigkeitsempfinden eine Rolle, denn schließlich ist die Freiheit von Radfahrenden durch die Radwegebenutzungspflicht erheblich eingeschränkt, somit könnten sie sich – was ich nachvollziehbar finde– gegenüber S-Pedelec-Nutzenden erheblich benachteiligt fühlen. Wie ich immer wieder mal erläutere, sollte die Benutzungspflicht in meinen Augen weitgehend abgeschafft werden, um eine inzwischen vielerorts verbreitete Überlastung der Radverkehrsanlagen zu entschärfen und um mehr Flächengerechtigkeit herzustellen. Würde man es den Radfahrenden bequemer machen, könnte dies letztlich sogar dem Autoverkehr zugutekommen, denn mehr Radfahrende können diesen entlasten, ich meine, nicht die Anzahl der Radfahrenden stellen seine Behinderung dar, sondern die der Autos (dort ein Artikel von mir im Allgemeinen zur Radwegbenutzungspflicht).

Auch wenn es insgesamt zu allen Maßnahmen bei den verschiedenen Gruppen von VerkehrsteilnehmerInnen in der Akzeptanz der Maßnahmen Unterschiede gibt, ist sie in den meisten Punkten doch auch wiederum weitgehend homogen, vgl. Kapitel 3.3.4 S. 94-118.
Auch im Ländervergleich zeigen sich durchweg keine signifikanten Unterschiede.
Die genaueren Details zur Durchführung und zu den Ergebnissen aus den Fokusgruppen und den quantitativen Befragungen kann man einsehen im Anhang des Berichts im Kapitel 8.2.3 auf den Seiten 235-309

3.2.3   Stated Preference Befragungen zur bevorzugten Wegewahl

Die Teilnehmenden sollten in jeweils sechs Entscheidungsexperimenten angeben, welche Wahl sie zwischen 2 Alternativrouten mit verschiedener Reisezeit und Infrastruktur treffen würden.

Bilder von Radfahranlagen - Beispiel einer Entscheidungssituation Außerorts für Radfahrende (links) und S-Pedelec-Fahrende (rechts)
Quelle: SESPIN Endbericht

Für die Einschätzung der „Zahlungsbereitschaft“ wurde in einem durch mehrere Parameter errechneter Wert ermittelt, der quasi „fiktiv“ die für Umwege in Kauf genommenen Minuten angibt. (Näheres im Bericht S. 119-129)

3.2.3.1 Innerorts:
„S-Pedelec-Fahrende haben sich in 67 % der Fälle entschieden, die Radfahranlagen zu benutzten versus 33 % auf der Straße zu fahren.(S.119)
„Sowohl Radfahrende als auch S-Pedelec-Fahrende bevorzugen das Radfahren entlang einer Straße mit einem Tempolimit von 30 km/h gegenüber einer Straße mit einem schmalen Fahrradweg. …
Zusammenfassend zeigen die geschätzten Parameter und abgeleiteten Zahlungsbereitschaftsschätzungen eine starke Präferenz dafür, das Radfahren entlang einer Straße zu vermeiden. Für S-Pedelec-Fahrende ist dieser Effekt deutlich sichtbar, wenn es sich um Straßen mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h handelt oder wenn das Alternativangebot sehr attraktiv ist, wie beispielsweise eine abgetrennte Radfahranlage.“ (S.124)
3.2.3.2 Außerorts:
„S-Pedelec-Fahrende haben sich in 74 % der Fälle entschieden, die Radfahranlagen zu benutzten versus 26 % die Straße zu benutzen.“ (S.125)
„Die geschätzte Zahlungsbereitschaft für das Radfahren auf der Straße für S-Pedelec-Fahrende im Vergleich zu verschiedenen Radfahranlagen deutet auf eine hohe Bereitschaft hin, Umwege in Kauf zu nehmen. […] Die geringste Zahlungsbereitschaft besteht für Geh- und Radwege.“ (S. 128)

3.2.3.3 Zusammenfassung zu Präferenzen bezüglich der Routenwahl:
Sowohl für Inner- als auch Außerorts konnten (abgesehen von einigen Feinheiten) zusammenfassend folgende Tendenzen festgestellt werden:

– eine längere Reisezeit ist mit einer signifikanten Abnahme der Präferenz verbunden. Es konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen Radfahrenden und S-Pedelec-Fahrenden festgestellt werden
– innerorts wird das Fahren entlang der Straße positiver wahrgenommen im Vergleich zum Fahren auf dem gemeinsamen Geh- und Radweg
– außerorts werden gemeinsame Geh- und Radwege positiver wahrgenommen im Vergleich zur Straße. Ein hohes Fußverkehrsaufkommen wurde dabei als negativ wahrgenommen. Entlang der Straße geführter gemeinsamer Geh- und Radwege ist die positive Wahrnehmung höher, wenn diese sehr breit sind.
– Präferenz für Schutzstreifen gegenüber Geh- und Radwegen
– Schutzstreifen und Umweltspuren werden im Vergleich zur Straße positiv bewertet
– breitere und eingefärbte Schutzstreifen werden bevorzugt
– abgetrennte Radwege werden im Vergleich zur Straße stark bevorzugt.
– abgetrennte Zweirichtungsradwege werden im Vergleich zur Straße werden am zweitmeisten bevorzugt
– Radschnellwege werden im Vergleich zur Straße am meisten bevorzugt
– Abschnitte mit höheren signalisierten Geschwindigkeiten werden negativ wahrgenommen, je höher das Tempolimit, desto höher ist die Zahlungsbereitschaft für Nutzung von Radfahranlagen
– Die geringste Zahlungsbereitschaft besteht für Geh- und Radwege.
– Bevorzugung von abgetrennten Fahrradwegen und Radschnellwegen gegenüber Zweirichtungsradwegen
– Radfahrende nehmen das Teilen der Infrastruktur mit S-Pedelecs nicht als Problem wahr

(vgl. S. 120 und S. 126)

3.3 Synthese Akzeptanzanalyse

Diese im Vorigen dargestellten Ergebnisse aus der Akzeptanzanalyse werden im Bericht im dortigen Kapitel 3.4, Seiten 129 – 135 allgemein und differenziert nach Perspektive Verkehrsteilnehmenden in einer ausführlichen Tabelle zusammengefasst und um die Erkenntnisse aus der SP-Befragung und den Fokusgruppen ergänzt.

Den Voranalysen folgte im nächsten Schritt die Soll-Analyse. In zwei Validierungsworkshops mit insgesamt zehn ExpertInnen wurde ein Katalog mit Handlungsempfehlungen entwickelt, auf dessen Basis eine Vorauswahl von Szenarien verschiedener baulicher Anlagen und Verkehrsgeschehen für die Simulatorstudie erfolgte.

4. Fahrradsimulator-Studie – Soll-Analyse​

Es sollte vor allem das Verhalten der S-Pedelec-Fahrenden und ihre Interaktionen mit anderen Verkehrsteilnehmenden untersucht werden, ihre Geschwindigkeit und damit verbundene Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit. Zudem wollte man die Effekte der Wahlfreiheit betrachten.

Im Fahrsimulator waren die Probanden rundum von Bildschirmen umgeben, und somit in einer virtuellen Welt, in der es verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Typen von Infrastruktur gab und in der sich auch andere Verkehrsteilnehmende mit den üblichen Geschwindigkeiten bewegten. (dazu mein Bericht meiner Teilnahme).

Beim Befahren der –für alle gleichen – Strecken wurden Geschwindigkeit und Überholabstände gemessen, und das Verhalten untersucht.

Hier nun ein Einblick in die Beobachtungen aus der Studie im Fahrradsimulator (Teilnehmerzahl N 33):

4.1 Details zum Studienablauf etc.

Auf den Seiten 138-154 wird näher auf die Forschungsfragen, die Auswahl der Stichprobe, das Studiendesign, die Szenarienbeschreibungen, sowie Daten-Quellen, -Aufbereitung und Auswertung eingegangen und der Studienablauf erläutert.

Letztlich von Bedeutung sind hier die in Kapitel 4.3.9 ab S.154-196 beschriebenen

4.2 Ergebnisse der Experimente im Fahrsimulator:

Verglichen wurde, wie oft und mit welchen Abständen und Geschwindigkeiten Andere unter verschiedenen Bedingungen von Pedelec oder S-Pedelec-Fahrenden überholt wurden, sowie das jeweilige Sicherheits- und Risikosempfinden. Zusammenfassung im Bericht Kap. 4.3.9.4 ab Seite 187, ich greife hier einige Beobachtungen heraus und kommentiere, wie ich diese – auch aus Nutzeraugen – bewerte.

4.2.1 Geschwindigkeit:

„Unabhängig vom Anlagentyp wird von S-Pedelecs „eine mittlere Geschwindigkeit von 35 km/h erreicht. Vereinzelt aber auch mittlere Geschwindigkeiten von 43 – 44 km/h, 85 % der mittleren Geschwindigkeiten sind geringer als 39 km/h, 75% geringer als 37 km/h.“ Diese Werte variieren in Abhängigkeit von der Anlagenbreite, je schmäler, desto langsamer, je breiter, desto schneller. (vgl. S.155/6)
Hier beispielhaft auf einem Zweirichtungsradweg:

Grafik Mittlere Geschwindigkeiten, Verteilung, getrennt nach Situation und Anlage
Quelle: SESPIN Endbericht, PDF Seite 176

In der Pedelec-Bedingung wird, unabhängig von Anlagenbreite, eine mittlere Geschwindigkeit von 25 km/h erreicht, 85 % der mittleren Geschwindigkeiten sind geringer als 27 km/h, 75 % geringer als 26 km/h.

In der S-Pedelec-Bedingung wird, bei einer Anlagenbreite von 2,00 m oder mehr, eine mittlere Geschwindigkeit von ca. 34 km/h erreicht. Bei einer Breite von 1,60 m wird eine mittlere Geschwindigkeit von 32 km/h erreicht. Vereinzelt werden mittlere Geschwindigkeiten von 43 – 44 km/h erreicht, 85 % der mittleren Geschwindigkeiten sind geringer als 39 km/h. Bei Anlagenbreiten von 2,00 m oder mehr sind 75 % der mittleren Geschwindigkeiten geringer als 37 km/h, bei einer Anlagenbreite von 1,60 m geringer als 35 km/h.

Die mittlere Durchschnittsgeschwindigkeit im Zweirichtungsradverkehr beträgt bei freier Fahrt, in der Pedelec-Bedingung 23 – 25 km/h, in der S-Pedelec-Bedingung 29 – 33 km/h. In der Engstelle beträgt sie in der Pedelec-Bedingung 20 km/h, in der S-Pedelec-Bedingung 23 km/h.
Die Durchschnittsgeschwindigkeit wird auf sehr schmalen Anlagen deutlich angepasst, bei breiteren nur minimal.

„Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass S-Pedelec-Fahrende im Gegensatz zu Pedelec-Fahrenden den zur Verfügung stehenden Unterstützungsbereich in der Regel weder komplett ausnutzen, noch lediglich die vorgegebene Mindestgeschwindigkeit fahren. Pedelec-Fahrende fahren somit, wie instruiert, an der Grenze des Unterstützungsbereichs (25 km/h). Die meisten S-Pedelec-Fahrenden fahren mindestens so schnell wie instruiert (d.h. mindestens 30 km/h), allerdings teils deutlich unter der Grenze des Unterstützungsbereichs.“ (S. 156)

Da ich ja selbst Probandin in der Fahrsimulatorstudie war, möchte ich dazu anmerken, dass diese (im Vergleich zu in anderen Studien ermittelte) hohe Durchschnittsgeschwindigkeit womöglich auch etwas irreführend wirkt. Sie war der Anweisung geschuldet, soweit möglich über 30 km/h zu fahren. Ich kann es aber auch nachvollziehen, es sollte ja das Verhalten untersucht werden, bei dem man die Möglichkeiten des S-Pedelecs gut ausschöpft, wie eben bei einer der Hauptanwendungen z.B. auf dem Weg zur Arbeit.
Also für mich ergibt das kein vollständiges Bild meiner tatsächlichen Nutzung … also auch mal ohne Eile unterwegs zu sein, bezogen auf meine Gesamtkilometer komme ich eher auf einen Durchschnitt von 20-25 km/h, da ich das S-Pedelec für – fast – alle Anwendungen des täglichen Mobilitätsbedarfs nutze.
Bei einer gezielt zügigen Fahrt mit einem gewissen Anteil durch die Stadt mit einigen Stopps und Hindernissen erreiche ich unter mäßiger Anstrengung einen Schnitt von um die 30 km/h.
Ich vermute, ähnlich trifft das auch für viele andere Nutzende zu, zumal ja viele von uns um der Sicherheit willen doch auch öfter mal die Radwege nutzen, und da geht es halt nach den Regeln der Vernunft nicht immer so schnell voran, allein schon, weil deren Beschaffenheit bei hohem Tempo kein Vergnügen ist.

Interessant meine ich, wird demnächst der Vergleich mit Ergebnissen der Tübinger Studie, in der die Probanden im Feldversuch auch die Radwege mitnutzen, insbesondere eben im innerstädtischen Bereich. Ich rechne mit etwas niedrigerem Durchschnittstempo unter Realbedingungen.

4.2.2 Überholverhalten/Gefährdungspotential/Kollisionen:

Überholen:

Es zeigte sich, dass das Überholen auf schmäleren Anlagen eher gemieden wird. Und – wie ich finde, bemerkenswert ist – dass insgesamt die Anzahl der Überholvorgänge in beiden Gruppen ähnlich hoch ist, auf breiten Anlagen bei S-Pedelecs nur ein bisschen höher.

Stand die Option zur Verfügung auf die Straße auszuweichen, um Radfahrende auf dem Radfahrstreifen zu überholen, wählten S-Pedelec-Fahrende diese wesentlich häufiger, insbesondere wenn die Breite des Radfahrstreifens nur 1,6 m betrug. (vgl. S.157-59)

Interessanterweise sind insgesamt – vermutlich auch in gewisser Abhängigkeit zur Geschwindigkeit – die minimalen Abstände nach rechts beim Überholen von Radfahrenden bei Pedelecs im Mittel deutlich geringer als bei S-Pedelecs.

Grafik von Minimalem Abstand, Verteilung, von S-Pedelec-Fahrenden nach rechts zu Radfahrenden
Quelle: SESPIN Endbericht, PDF-Seite 178

Z.B. Im Mittel (Mdn) beträgt der minimale Überholabstand in Szenarien mit Radweg in der Pedelec-Bedingung 0,80 m, in der S-Pedelec-Bedingung 0,88 m. In der Pedelec-Bedingung sind die minimalen Passierabstände in 25 % der Fälle geringer als 0,60 m, in der S-Pedelec-Bedingung geringer als 0,72 m. Der geringste minimale Abstand in der Pedelec-Bedingung beträgt 0,09 m und 0,44 m in der S-Pedelec-Bedingung.“ (S. 161)
In Szenarien mit Radfahrstreifen verhält es sich recht ähnlich

Meine Interpretation aus Nutzerinnensicht: durch die oft höhere Geschwindigkeit halten S-Pedelec-Fahrende intuitiv mehr Abstand, sowohl natürlich damit sie nicht zur Gefahr werden als auch, um sich selbst nicht zu gefährden. (Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass ich durch das gelegentliche unerlaubte Nutzen der Radwege gewohnt bin, doppelt umsichtig zu sein, um rechtliche Risiken auszuschließen).

Bei Gegenverkehr gibt es keine deutlichen Unterschiede, das liegt in dem Beispiel auch vermutlich an der Breite von Radschnellweg von 4m und Radvorrangroute von 3m:

Grafik von Minimaler Abstand, Verteilung, zum Gegenverkehr links
Quelle: SESPIN Endbericht, PDF S.179

Auch aufschlussreich ist die Grafik über die Verteilung nach Breiten der Anlagen:

Grafik über Überholabstände von Pedelecs und S-Pedelecs nach Breiten der Anlagen
Sespin Endbericht, PDF-Seite 162

Naheliegend eigentlich ist – wie man es ja auch vom klassischen Radverkehr her kennt -, dass bei breiteren Anlagen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, einen größeren Abstand einzuhalten, was natürlich gut zur Sicherheit Aller beiträgt, wenn man nicht zu riskanten Überholmanövern verleitet wird.
„In der Regel warteten die Versuchsteilnehmenden – mit Ausnahme von drei Fällen in der Pedelec-Bedingung auf dem Radschnellweg – bis der Gegenverkehr vorbei war„. (S. 178)

Man stellte fest, dass „die wahrscheinlichste Kollisionsursache ein zu frühes Einscheren des Versuchsteilnehmenden nach einem Überholvorgang“ ist (S.160). Dazu habe ich den Gedanken, man könnte S-Pedelec-Nutzenden auch einen Spiegel für Rechts empfehlen (wird nur leider dann noch mehr sperrig). Und auch bei Präventionsschulungen sollte auf die Gefahr hingewiesen werden.

Bezüglich der Abstände bzw. Kollisionen möchte ich gern erwähnen, dass das Lenken auf dem „Simulator-Fahrrad“ eine echt knifflige Herausforderung war, da man sich dabei ja nicht wie gewohnt zur Seite neigen durfte, weil die „virtuelle Lenkung“ dann stark überreagierte, deshalb gab es ja – für alle – die ca. 1 stündige Eingewöhnungsfahrt. Also ich nehme an, unter Realbedingungen hätten die ProbandInnen ihre gewohnten Bikes besser „im Griff“ gehabt, dennoch war es natürlich gut solche Experimente unter standardisierten Bedingungen im Simulator zu machen.

4.2.3 Subjektive Sicherheit und subjektives Risiko

Die Betrachtungen zum subjektiven Sicherheitsempfinden und der Risikobewertung ergaben, dass diese beeinflusst wird vom Geschwindigkeitsniveau auf der Fahrbahn und/oder die Stärke des Verkehrsaufkommens. Deutlich wurde, dass eine Präferenz für Radverkehrsanlagen v.a. außerorts besteht.

S-Pedelec-Fahrende nehmen das Fahren auf der Straße als deutlich weniger risikoreich war als die Pedelec-Fahrenden, das mag an dem geringeren Tempounterschied liegen, aber auch an der Gewohnheit. (vgl. S. 166)

Radfahranlagen wurden über beide Gruppen hinweg (wie ich meine erwartungsgemäß) als wesentlich sicherer empfunden.

4.2.4 Gefährdung

Bei Diskussionen darüber, wo man S-Pedelecs fahren lassen könne, gibt es die größten Bedenken bei gemeinsamen Geh- und Radwegen. Und ja, ich kann da teilweise zustimmen. Wer kennt das nicht als Radelnder, dass die FußgängerInnen, die Unberechenbarsten sind, vor allem die Kleinsten und die mit Hund. Also wenn ich nicht muss, meide ich solche stark bevölkerten Wege, ob mit oder ohne Unterstützungsmotor, wenn ich es eilig habe (eine Tendenz, die sich ja auch in den quantitativen Akzeptanzanalysen für viele Radfahrenden zeigte). Erspare ich mir allerdings einen weiteren Umweg, bin ich gern bereit, ein Stück mit mäßigerer Geschwindigkeit zurückzulegen.

Interessant dazu ist, dass sich im Versuch die Geschwindigkeit bei einem schmalen Weg von 2 m zwischen Pedelecs (von 19 km/h) und S-Pedelecs (von 21km/h) nur geringfügig unterscheiden. (vgl. S. 170). Auch die relativ geringen Abstände sind in beiden Gruppen ähnlich und sind in der Regel nicht sehr besorgniserregend, vor allem unter Berücksichtigung der reduzierten Geschwindigkeit. Außerdem sind sie ja auch schlicht der Enge des Weges geschuldet.

Grafik Mittlere Geschwindigkeit, Verteilung gemeinsam genutzter Geh- und Radweg
Quelle: SESPIN -Endbericht, S.169

Was mir aber bei genauem Hinschauen schon etwas unangenehm auffällt ist, sind einige „Ausreißer, wo S-Pedelecs aber mit fast ähnlicher Häufigkeit auch Pedelecs mit bedenklich geringem Abstand mit – in Relation dazu – hohem Tempo überholen. Das ist nicht immer echte „objektive Gefährdung“ (gemäß „ist-ja-nichts-passiert-Mentalität“), aber zumindest für viele Menschen doch auch recht unangenehm.

Ordnet man die Situationen in Stufen ein nach sehr kritisch – kritisch – unkritisch, sind bei Wegen von 2 m und 2,50 m Breite in beiden Gruppen ein ziemlich hoher Anteil als kritisch zu bewerten, ein im niedrigen einstelligen Bereich als sehr kritisch. Bei S-Pedelecs sind die Anteile jeweils etwas höher, allerdings auch nicht sehr auffallend.
Auf den 3-m-Wegen hingegen kommt es zu eher wenigen kritischen Situationen. (vgl. S.174)

Grafik Minimaler Abstand und Überholgeschwindigkeit, von s-Pedelec und Pedelec Verteilung, Kritikalitätsbereiche
Quelle: SESPIN Endbericht, PDF S.173

Vorschläge aus meiner Sicht:

Ich meine, es wäre ein wichtiges Hauptthema im Fahrsicherheitstraining ein Bewusstsein dafür zu schaffen, eben nicht nur keine Unfälle zu verursachen, sondern dass es auch darauf ankommt, sich anderen verletzlichen VerkehrsteilnehmerInnen gegenüber so zu verhalten, dass sie sich nicht von Gefahren bedroht fühlen, etwas, das man sich doch auch für sich selbst wünscht, man sitzt im selben Boot.
Ich wäre durchaus einverstanden mit einer verpflichtenden – beispielsweise 3- stündigen – Schulung (ähnlich einem Erste-Hilfe-Kurs), die einem die Nutzung von Radinfrastruktur offiziell erlaubt, dafür bekommt man eine extra „Berechtigungskarte“ oder ähnliches, oder vielleicht kann so etwas im „Führerschein“ eingetragen werden. 
Ja, so ein zusätzliches Zertifikat bedeutet extra Kosten und Aufwand, aber das fällt im Gesamten nicht groß ins Gewicht, das würde ich gerne in Kauf nehmen, und finde es sinnvoll in der Erwartung, dass dadurch die Verkehrssicherheit gefördert werden kann (evtl. Evaluation wünschenswert).

Befürworten würde ich auch ähnliche Regeln, wie sie Österreich formuliert wurden (siehe hier Kap. 2.1.1), wie z.B. „das Überholen soll mit einem maximalen Geschwindigkeitsunterschied von 5- 10 km/h erfolgen“ und „Abstand sollte mindestens 70cm/eine Armlänge – eines durchschnittlichen Erwachsenen – betragen“. Warum das wünschenswert ist, sollte in den Schulungen thematisiert werden. Andererseits, die Schweiz „fährt“ ja auch gut mit dem Vertrauen in den gesunden Menschenverstand. (z.B. Velo-Knigge-CH)

Bei allem guten Zureden werden uns vermutlich einige Waghalsige erhalten bleiben, bei denen solche Maßnahmen kaum Wirkung entfalten. Meine Theorie dazu ist, dass diejenigen, für die hohes Tempo Priorität hat, sowieso die Straße bevorzugen (wie viele Rennradfahrende, auch weil der dort sehr oft bessere Belag schnelleres Fahren überhaupt erst ermöglicht bzw. komfortabler macht). . Ein nicht unerheblicher Teil der S-Pedelec-Fahrenden wollen die Radfahranlagen nicht nutzen. (Vlg. auch Ergebnisse zur Wegewahl in Akzeptanzanalysen – vgl. S.119-129 – und der Fahrsimulatorstudie – vgl. S. 163-167)
Deshalb spreche ich mich immer wieder sehr entschieden für Wahlfreiheit aus – auch außerorts für die Unerschrockenen, wenn sie 40-45km/h fahren, beanspruchen sie – im Hinblick auf Behinderung des sonstigen MIV – die Landstraße nicht anders als mit einem Moped. Das entlastet die Fuß- und Radinfrastruktur schützt und schützt deren NutzerInnen. Im Sinne der Flächengerechtigkeit würde ich Wahlfreiheit für ALLE Radfahrenden befürworten. Benutzungspflicht sollte es nur dort geben, wo „unbedingt erforderlich“. 

Jedenfalls zeigte sich also insgesamt, dass S-Pedelec-Fahrende sich in der Regel den Bedingungen anpassen, vor allem auf engeren Wegen. (vgl. z.B. auch S. 157, S. 168)  Wie ich meine, sind S-Pedelec-Fahrende wohl weitgehend nicht die Rowdys, als die sie öfter mal von besorgten Skeptikern hingestellt werden.

So wie ich all das eben Berichtete einschätze, geht von S-Pedelec-Fahrenden – insbesondere im Vergleich zu 25km/h- Pedelec-Fahrenden – auf Radfahranlagen also nicht das erheblich höhere Risiko aus, welches bisher nur aufgrund von deren potenzieller Maximalgeschwindigkeit vermutet und immer wieder ins Feld geführt wurde, um die Beschränkungen für deren Nutzung zu begründen. (Und – so meine Erklärung – weil man eben nicht so recht wusste, wo man diese neue Fahrzeuggattung wohl einordnen solle, war die Mopedklasse halt am naheliegendsten, für diejenigen, die mangels eigener Erfahrung die wahren Eigenschaften der Nutzung nicht kannten). Letztlich verhalten sie sich im Großen und Ganzen so, wie es jeder andere „normale“ Radfahrende auch täte …

Dennoch möchte ich nicht ganz verharmlosen, dass die höhere Geschwindigkeit etwas mehr Risiken mit sich bringen kann, aber so viel gravierender sind sie mit etwa 5-10 km/h mehr als bei Pedelecs auch nicht. Ich sehe dies auch im Kontext zu den extrem viel höheren Risiken, denen S-Pedelec-Fahrende ausgesetzt sind, wenn sie bei sehr hohen Geschwindigkeitsdifferenzen zum „Mitschwimmen“ im MIV gezwungen sind – und die finde ich absolut unzumutbar, wie ich ja immer wieder betone. Genaugenommen gefährdet die aktuelle Regelung mein Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Grundgesetz §2 (by the way: ich bin schon mal beim Fahrradfahren von hinten mit 80km/h von der Straße gefegt worden, anders als der bei einem solchen Unfall verstorbene Radverkehrs-Aktivist Natenom hatte ich Glück und landete im weichen Straßengraben …).

Zusätzliche Details zur Fahrsimulatorstudie finden sich auch in Anhang auf den Seiten 220-234

Es folgen von den Forschern …

5. Abgeleitete Maßnahmen und Handlungsempfehlungen auf Basis der Studienergebnisse

Der letzte Hauptteil des Berichts mündet entsprechend dem Ziel der Studie in Empfehlungen für Maßnahmen, die auf wissenschaftlich validierten infrastrukturellen und techno-sozialen Lösungen zur sicheren und effizienten Einbindung von S-Pedelec-Fahrenden in das Verkehrssystem basieren. (SESPIN-Bericht Kap. 5, S. 196-214)

5.1 Kernbefunde

In diesem Kapitel werden die bereits dargestellten Befunde der Akzeptanz- und Präferenzuntersuchung sowie der Simulatorstudie nochmals zusammengefasst.

Da ich diese in den einzelnen Abschnitten ja schon abgehandelt habe, hier nur die Gemeinsamkeiten hinsichtlich Akzeptanz, Präferenz und Verhalten in Kurzform:

„- Die Eingliederung in (bestehende) Radverkehrsanlagen wird akzeptiert, präferiert und ist in der Simulatorstudie auch beobachtbar.
– Das Befahren der Straße bzw. das Fahren im Mischverkehr stellt für S-Pedelec-Fahrende innerorts, aber nicht außerorts, eine Option dar.  Auch dies ist in der Simulatorstudie beobachtbar.
– Baulich getrennte Anlagen (bspw. Radwege und gemeinsame Geh- und Radwege) werden stärker bevorzugt und genutzt als nicht baulich getrennte Radverkehrsanlagen. (S. 198/99)“

Nun zu den …

5.2 Kriterien für die Auswahl von Anlagen und Vorschläge zur Dimensionierung

„Grundsätzlich ist eine Eingliederung in Radverkehrsanlagen auf Basis der in dieser Studie erhobenen Daten erwünscht.“ (S. 199).

Folgende Kriterien sollten grundsätzlich jeweils nach Art der Eingliederung Beachtung finden: Differenzgeschwindigkeiten, ggf. Geschwindigkeitsregulation, Verkehrsaufkommen, Art/Breite/Trennung/Ort der Anlage (inner-/außerorts).

Von besonderer Relevanz zum Ermöglichen sicherer Überholmanöver sind die beiden Faktoren Geschwindigkeit und verfügbarer Verkehrsraum.

Wie man an den Auswertungen sehen konnte, sind ganz einfach gesagt Wegebreiten ab 3 m weitgehend unbedenklich. Feste Breiten zu definieren ist oft nicht so recht zielführend, sondern generell und besonders bei schmäleren Anlagen ist eine Abwägung der verschiedenen Parameter anzuraten.
Grundsätzlich wird für die meisten Situationen als vorteilhafte Breite ein dreifacher -sogenannter – Verkehrsraum – also 2,40-3m – genannt (der einfache ist für einen Radfahrer unter beengten Bedingungen 0,8m, aber eigentlich eher 1 m).
Desweiteren spielt die „Entwurfs- bzw. Projektierungsgeschwindigkeit“ der Anlage eine Rolle, also für welche Geschwindigkeit sie ausgelegt wurde, gegebenenfalls ist eine Geschwindigkeitsregulierung entsprechend der Gegebenheiten zu empfehlen.

Die Überlegungen bilden eine Grundlage für …

5.3 Abgeleitete Empfehlungsvorschläge auf Basis der Studienergebnisse

Da Empfehlungen teilweise ja schon angeschnitten wurden und in der Folge auch gleich noch für die D-A-CH-Länder konkret im übernächsten Abschnitt benannt werden, weise ich nur hin auf diesen Abschnitt, der Vorschläge allgemein formuliert, siehe Seiten 202/3, welche dann auch von Experten länderspezifisch diskutiert wurden.

5.4 Ergebnisse des Expertenworkshops

In einem 2,5-stündigen Online-Workshop diskutierten Experten über die Vorschläge thematisch getrennt nach Radfahranlagen, gemeinsame Geh-und Radwege sowie die Wahlfreiheit/Benutzungspflicht. Da sich vieles von alledem an anderen Stellen in meinem Bericht erwähnt wird, übernehme ich nur die Zusammenfassungen.
Wer mehr über die Details wissen möchte, findet diese auf den Seiten 204-209.

„Grundsätzlich wird hinsichtlich der Eingliederung eine gute [Rad-] Infrastruktur mit ausreichender Breite vorausgesetzt. Eine Freigabe von breiten und großzügig trassierten Routen kann erfolgen. Bei Freigaben, die nicht auf einheitlichen Vorgaben beruhen, ist ein Flickenteppich an Einzelregelungen erwartbar, was aufgrund der Komplexität eher vermieden werden sollte. Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Radverkehrsanlagen sind v.a. innerorts denkbar und/oder u.U. auch notwendig, allerdings wird die Durchsetzbarkeit und Kontrolle angezweifelt“. (S. 205)

„In Österreich und Deutschland wird eine Eingliederung in gemeinsam genutzte Geh- und Radwege als kritisch betrachtet. Dies bezieht sich v.a. auf die Geschwindigkeitsdifferenzen, aber auch auf das Situations- und Risikobewußtsein sowie dem Ort der Anlage. Während innerorts Konflikte und Verdrängungseffekte erwartet werden, wird eine Freigabe außerorts bei ausreichender Breite und geringer Fußverkehrsstärke als eher unproblematisch betrachtet. Bez. Der Schweiz besteht Uneinigkeit hinsichtlich der Eingliederung in Geh- und Radwege, außerorts wird diese jedoch als akzeptable Maßnahme betrachtet.“ (S. 207)

„Im Allgemeinen wird Wahlfreiheit innerorts präferiert, außerorts sollte Benutzungspflicht der Radverkehrsanlage bestehen. Wahlfreiheit wird jedoch, bei uneinheitlicher Regelung, als kritisch betrachtet, da u.U. das Verhalten der entsprechenden Verkehrsteilnehmenden schwer vorhersagbar ist. Änderung der Benutzungspflicht muss somit gut und klar kommuniziert werden“ (S. 209)

Ich erlaube mir, hier mal wieder meine Anmerkungen miteinzubringen:
Aus der Schweizer Perspektive, also dort wo man schon Erfahrung damit hat, bestehen keine/wenig Bedenken zur Integration von S-Pedelecs in die Radinfrastruktur, viel größer sind diese in Deutschland und Österreich. Etwas berechtigt, aber auch bezeichnend ist die Sorge aus Deutscher Sicht, eine Kontrolle von Geschwindigkeitsbegrenzungen sei schwer umsetzbar. Zum einen wüsste ich nicht, warum die Polizei (vorzugsweise dort, wo es wirklich Probleme damit gibt) nicht auch Kontrollen an Fahrrad-Strecken durchführen können sollte. Zum anderen werden Autofahrende ja auch verhältnismäßig wenig kontrolliert, trotzdem dürfen sie alle Arten von Straßen unter Vorgabe von Geschwindigkeitsbegrenzungen nutzen (ich erspare uns weitere Ausführungen …)

Den Einwänden, dass die Regeln nicht zu komplex sein sollten, kann ich mich voll anschließen schließlich sollen diese für die ganze Bevölkerung leicht nachvollziehbar sein. Man kann die Empfehlungen aber ja auch als Leitlinien für Freigaben für die Behörden auffassen.

5.5 Länderspezifische und auf Studienbasis sowie Expertenworkshop angepasste Empfehlungsvorschläge

Da ich die Empfehlungen nicht verfälschen möchte, übernehme ich hier vorwiegend die Formulierungen aus dem Original, außer …

5.5.1 Empfehlungen für die Schweiz:

Diese decken sich im Grundsatz mit den gleich folgenden für Österreich und Deutschland, deshalb kürze diese ich hier etwas ab.

In der Schweiz besteht aktuell eine Benutzungspflicht von Radverkehrsanlagen für S-Pedelec-Fahrende, somit beziehen sich die Empfehlungen auf zusätzliche Bedingungen für diese Eingliederung sowie die Empfehlungen bezüglich der Wahlfreiheit / Benutzungspflicht.

Die schon bestehende Eingliederung wird unterstützt.

Allerdings wird geraten, die bestehenden Anlagen entsprechend den Empfehlungen zu den ausschlaggebenden Kriterien zu prüfen und ggf. mit Geschwindigkeitsregulierung zu reagieren. Das gilt gleichermaßen für Rad- sowie für gemeinsame Rad-und Gehwege (vgl. S. 210-12). Die Einzelkriterien entsprechen den …

5.5.2 Empfehlungen für Österreich und Deutschland

Aus der Zusammenfassung (Seiten 212-214) :

„Eingliederung in bestehende Radverkehrsanlagen

Eine Eingliederung von S-Pedelec-Fahrenden in Radverkehrsanlagen wird empfohlen.
Voraussetzung ist, dass die Anlage weitestgehend einer Entwurfs- / Projektierungsgeschwindigkeit von 40 km/h entspricht und, in Abhängigkeit des notwendigen Verkehrsraums sowie erwartbaren Verkehrsaufkommens, mindestens drei Verkehrsraumbreiten (d.h. bei beengten Verhältnissen 2,40 m, sonst 3,00 m) breit ist.

– Falls die Vorgabe bez. der Geschwindigkeit und der Breite nicht erfüllt ist, wird
eine Eingliederung mit Geschwindigkeitsbegrenzung auf die Entwurfsgeschwindigkeit der Anlage vorgeschlagen.

– Außerorts kann bei hohen Sichtweiten und in Abhängigkeit des Fahrbahnzustandes von einer Geschwindigkeitsbegrenzung abgesehen werden.

Eingliederung in gemeinsam genutzte Geh- und Radwege

  • Eine Eingliederung in gemeinsame Geh- und Radwege kann innerorts dann erfolgen, wenn dieser
    – geschwindigkeitsbegrenzt ist/wird,
    – eine (visuelle) Trennung von Radweg und Fußweg existiert

der Radweg mindestens drei Verkehrsraumbreiten (d.h. bei beengten Verhältnissen 2,40 m, sonst 3,00 m) breit ist.
Eine Eingliederung in gemeinsame Geh- und Radwege kann außerorts dann erfolgen, wenn
– aufgrund von Verkehrsaufkommen und Differenzgeschwindigkeit auf der
Straße eine Gefährdung von S-Pedelec-Fahrenden erwartbar wäre und
– die Sichtweite für sowohl Radfahrende als auch Zufußgehenden groß genug
ist, um gefahrloses Passieren zu ermöglichen.
Gemeinsam genutzte Geh- und Radwege sollten innerorts geschwindigkeitsbeschränkt werden, außerorts kann bei hohen Sichtweiten von einer Geschwindigkeitsbeschränkung abgesehen werden.

Wahlfreiheit / Benutzungsplicht der bestehenden Straßeninfrastruktur

  • Wahlfreiheit wird innerorts empfohlen, außerorts wird eine Benutzungspflicht der Radverkehrsanlagen empfohlen.
  • Außerorts wird, bei ausreichender Breite und/oder großen Sichtweiten, die Benutzung

gemeinsam genutzter Geh- und Radwege empfohlen.
Innerorts wird keine Benutzungspflicht bei gemeinsam genutzten Geh- und Radwegen empfohlen.

  • Bei der Umsetzung der Wahlfreiheit für S-Pedelec-Fahrende wird empfohlen, Begleitmaßnahmen wie Sensibilisierung und Kommunikation einzusetzen.
  • Außerdem wird empfohlen, Begleitstudien durchzuführen. In diesen Begleitstudien können u.a. die Nutzung der Wahlfreiheit bei unterschiedlichen Verkehrsmengen evaluiert und die Erfahrungen der verschiedenen Verkehrsteilnehmenden zu unterschiedlichen Zeiten nach der Einführung erhoben werden. Auch sollten die Unfallzahlen beachtet werden.
  • Auch können die Erfahrungen von Ländern, wo Wahlfreiheit umgesetzt ist, erforscht werden.

Flankierende Maßnahmen hinsichtlich Prävention und Sensibilisierung sowie Möglichkeit zur Nutzung von ÖPV

  • Helmpflicht für S-Pedelec-Fahrende wird empfohlen.
  • Freiwillige Fahrsicherheitstrainings (u. A. zur Sensibilisierung und Erhöhung des Risikobewußtseins) werden empfohlen.“

Der SESPIN-Bericht schließt im Fazit auch mit einem Apell ab: es wird „wie bereits aktuell, gegenseitige Empathie und Rücksichtnahme für ein sicheres und effizientes Miteinander notwendig sein.“ (S.214)

Will man noch viel mehr erfahren, findet man ab Seite 215 ein umfangreiches Literaturverzeichnis und noch einen ausführlichen Anhang von Seite 220-309 …

Mit großem Dank an die engagierten Forscherinnen und Forscher!

6. Ausblick aus persönlicher Sicht:

Abschließend möchte ich aufzeigen, welchen weiteren Forschungsbedarf ich sehe und die Möglichkeiten, wie Politik und Verwaltung zu einer Steigerung des Einsatzes von S-Pedelecs beitragen können (wie auch in der Übersicht zu verschiedenen Studien bereits geschrieben).

6.1. Weitere Fragestellungen an die Forschung:

Wegen der bisher sehr geringen Verbreitung konnten noch keine ausreichenden und damit validen Daten über Unfälle gewonnen werden.

Zur weiteren Beurteilung wären detailliertere Daten zum Unfallgeschehen erforderlich, zu erwägen wäre evtl. Kooperation mit Versicherern und Polizei. Immerhin wird seit 2015 in der Fachserie 8 Reihe 7 des Statistischen Bundesamts „Verkehrsunfälle“ das S-Pedelec (bzw. E-bike) unter der Schlüsselnummer 03 inzwischen als eigene Fahrzeuggattung aufgeführt.

Dass die individuelle Wahrnehmung leidet, also auch die der subjektiven Sicherheit, ist naheliegend. Inwiefern aber tatsächlich die objektive Sicherheit von S-Pedelec-Fahrenden auf der Straße bzw. aber auch den Radfahrenden und Zufussgehenden auf gemeinsamer Infrastruktur beeinträchtigt ist bzw. wäre (also ob die Unfallhäufigkeit/-schwere höher ist), kann bisher nicht valide geklärt werden, denn die Daten zur Unfallstatistik sind dahingehend nicht ausreichend differenziert, dass Ereignisse mit S-Pedelecs gesondert erfasst werden. Außerdem ist ihre Anzahl noch zu gering für statistisch bedeutsame Aussagen.

6.2 Forderungen/Wünsche an Politik und Verwaltung:

Eine tiefgreifenste bzw. sehr grundlegende Änderung würde sich ergeben durch eine erweiterte Eu-Klassifizierung für diese neue Fahrzeuggattung – ein KFZ, welches Leistung nur in Abhängigkeit mit der aufgebrachten Muskelkraft erbringt (Muskelkraft-elektrisch also PED_al-ELEC_tric vehicle), damit würden S-Pedelecs nicht automatisch unter die verkehrsrechtlichen Regelungen für Mopeds fallen.
Solange dies aber nicht erfolgt, kann man auf nationaler Ebene, wie im erwähnten Podcast von Anke Schäffner vorgeschlagen wurde, schrittweise neue Regeln einführen, und denkbar wäre auch, die Maßnahmen wie im Dänemark als Pilotversuch laufen zu lassen, mit der Option ihn abzubrechen. In der ersten Phase wäre eine solche besonders für außerorts sinnvoll. Bei Problemen kann mit Beschränkungen reagiert werden
Der große Vorteil von Änderungen flächendeckender Regelungen wäre (also idealerweise über die STVO o.ä.), dass solche viel kostengünstiger und ohne enorme Personalressourcen umsetzbar wären im Vergleich zu unendlich vielen Einzelfreigaben. Wenn keine Auffälligkeiten feststellbar sind (wie in der Schweiz), dann sollte man auch Freigabe von Radwegen innerorts (mit Geschwindigkeitsbegrenzung) erwägen.

Solange es keine flächendeckenden Regelungen gibt, sollte zumindest die deutschlandweite Einführung eines Zusatzschildes „S-Pedelec-frei“ erwogen werden, sodass sich einzelne notwendige Erlasse von Landesverkehrsbehörden erübrigen und alle interessierten Kommunen ohne weitere Umstände Maßnahmen umsetzen können.

Eine wichtige Hilfestellung für örtliche Verkehrsbehörden wäre, ihnen – auf Basis der Forschungsergebnisse erstellte – Leitlinien an die Hand zu geben, unter welchen Bedingungen Freigaben empfohlen werden.
Eine andere rechtliche Einordnung würde im übrigen Leasing und damit Förderung vereinfachen. Auch steuerliche Anreize wären wünschenswert (vgl. Belgien).
Würde man die Bestimmungen für den Einsatz von Anhängern ändern, wären S-Pedelecs auch zur Verwendung für einen erweiterten Kreis denkbar, etwa für Familien und bedingt auch manche Handwerker.
Damit S-Pedelecs für breitere Bevölkerungsschichten als Fortbewegungsmittel attraktiv sein können, ist also Politik und Verwaltung gefragt, wie auch für den ganzen – vor allem Alltags- – Radverkehr im allgemeinen, die Bedingungen so komfortabel zu gestalten, dass man eben keine großen „Opfer“ bringen muss, um sie zu nutzen.
Dann besteht mehr Aussicht darauf, dass S-Pedelecs ihr nicht unerhebliches Potenzial für die Verkehrswende entfalten.
Da kann man also nun hoffen, dass die Studienergebnisse dazu beitragen, dass die entsprechenden Anpassungen erfolgen.

6.3 Weitere Ergänzung: Unfallstatistik

Weil ich finde, dass es hier noch reinpasst, Unfallstatistik von destatis (Hrg. Statistisches Bundesamt) Heft von 2023 zu Kraftrad- und Fahrradunfälle im Straßenverkehr 2021. Zu den Zahlen der Unfälle mit S-Pedelecs ist zum einen zu berücksichtigen, dass deren Anteil am gesamten Pedelecbestand verschwindend gering, also unter 1% liegt (meiner Schätzung nach – anhand von Pedelec-Verkäufen – könnten es 60-70 Tausend sein), zum anderen, dass deren Kilometerleistung pro Fahrzeug – vermutlich – deutlich höher ist, als die von Fahrrädern.

Die Statistik gibt leider nicht her, wer der Beteiligten der Verursacher war bzw. ist unklar, wer oder was beschädigt wurde, die S-Pedelec-Nutzenden oder Andere. Es wäre interessant zu wissen, ob es aufschlussreichere Daten gibt … bzw. wie kann man wohl die Erhebung von solchen anregen?
In der zweiten Tabelle stechen mir übrigens die doch beachtlich hohen Zahlen von Unfallflucht ins Auge …

Hier auch die Links, für diejenigen, die da noch tiefer reinschauen wollen:

1. https://www.destatis.de/[…]/unfaelle-zweirad[…], siehe S.30

2. https://www.destatis.de/[…]/verkehrsunfaelle-jahr[…] siehe Seite 121

Dazu möchte ich nur sagen, dass wohl von den S-Pedelec-Fahrenden anscheinend keine deutliche Gefahr ausgeht, es ist offensichtlich, dass in die meisten Unfälle PKWs und LKWs verwickelt sind …

Unfaelle Destatis Zweiräder S-Pedelec Screenshot Tabelle
Unfaelle Destatis Zweiräder S-Pedelec Screenshot Tabelle alle Verkehrsteilnehmer inkl Unfallflucht

Literatur/Quellen

Hier im Quellenverzeichnis befinden sich nicht nur die in der SESPIN-Studie genannten, sondern noch ein paar andere relevante, die aus dem Artikel pro-s-pedelec.de/einblick-in-die-neuere-s-pedelec-studienlage stammen

Brost, M., Ehrenberger, S., Dasgupta, I., Gebhardt, L., & Hahn, R. (2022). DLR – LEV4Climate Final Report, Deutsches Zentrum für Luft und Raumfahrt. Abgerufen am 2. Februar 2025 von https://www.dlr.de/de/medien/publikationen/sonstige-publikationen/2022/lev-studie/@@download/file.

Bundesrat Schweiz. (2021). „Verkehrsflächen für den Langsamverkehr“, Bericht des Bundesrates, Schweizerische Eidgenossenschaft. (B. d. Bundesrates, Herausgeber) Abgerufen am 1. Februar 2025 von https://www.newsd.admin.ch/newsd/message/attachments/69506.pdf.

KFV AT. (2020). Leitfaden aktiv mobil vom KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit). Abgerufen am 5. Februar 2025 von https://www.kfv.at/wp-content/uploads/2021/01/Leitfaden_POSETIV_final_Screen.pdf.

LEVA-EU/Stromer. (2022). Speed Pedelec White Paper August 2022. Abgerufen am 2. Februar 2025 von https://pro-s-pedelec.de/wp-content/uploads/2023/05/Stromer-LEVA-EU-Speed-Pedelec-White-Paper-Final.pdf.

Lohmeier, M., Führ, M., & Keller, E. (2024). Pe(n)delec-Studie Tübingen (Bericht noch nicht veröffentlicht). Abgerufen am 2. Februar 2025 von https://www.sofia-darmstadt.de/projekte/laufende-projekte/s-pedelec und Radwissen Podcast, 19. Folge: S-Pedelecs, https://fair-spaces.de/radwissen.

Nobis , C., & Kuhnimhof, T. (2019). Mobilität in Deutschland – MiD Ergebnisbericht. Studie von infas, DLR, IVT und infas 360 im Auftrag des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktu. Abgerufen am 2. Februar 2025 von https://www.mobilitaet-in-deutschland.de/archive/pdf/MiD2017_Ergebnisbericht.pdf. (Nachtrag: Eine Zusammenstellung von Publikationen zu MiD2023 findet sich nun hier, abgerufen am 3.4.2025)

Stemmler, T., Schoch, S., Hornung-Prähauser, V., Hollauf, E., Luger-Bazinger, C., Schaffner, D., . . . van Eggermond, M. (2024). https://www.s-pedelec.net/wp-content/uploads/2024/11/SESPIN_Endbericht_final_24102024.pdf. Abgerufen am 01 2025

ZIV – Zweirad Industrie Verband. (2024). https://www.ziv-zweirad.de/wp-con-tent/uploads/2024/03/ZIV_Marktdatenpraesentation_2024_fuer_GJ_2023.pdf. Abgerufen am 27. Januar 2025

ZIV/Mobycon. (2023). Wo fahren Speed-Pedelecs? Abgerufen am 2. Februar 2025 von https://www.ziv-zweirad.de/wp-content/uploads/2023/11/ZIV-Studie-Wo-fahren-S-Pedelecs_Nov23.pdf.

Zuser, V., Blass, P., Braun, E., Senitschnig, N., Breuer, C., Soteropoulos, A., . . . Stadlbauer, S. (2021). Potenzial von S-Pedelec für den Arbeitsweg. Abgerufen am 6. Februar 2025 von https://www.kfv.at/potenzial-s-pedelecs/.

1 Kommentar zu „Sichere Infrastruktur für S-Pedelecs – SESPIN-Studie-Endbericht Zusammenfassung“

  1. Vielen Dank, Anja, für diese ausführliche Zusammenfassung von SESPIN!

    Die Ergebnisse sind interessant und vielversprechend. Ich bin gespannt, ob sich davon irgendetwas mal bei uns in der Gesetzeslage widerspiegeln wird…

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