Update 2024-09 siehe ganz unten
Nicht nur ich bin es leid: die ständigen krassen Anfeindungen und – teilweise lebensgefährlichen – Risikosituationen, die man kaum selbst beeinflussen kann. In Presseberichten und Foren wimmelt es nur so von Schilderungen von unangenehmen Erfahrungen beim S-Pedelec-Fahren, wenn man sich an das Radwegverbot hält. Deshalb wird ja auch seit Jahren diskutiert, ob bzw. gefordert, dass Radwege für S-Pedelecs freigegeben werden sollen.
Aber bis das geklärt ist, sollten wenigstens alle neuen Führerscheinerwerbende zumindest schon mal von den Besonderheiten von S-Pedelecs gehört haben, darum habe ich mal eine ganze Reihe von Fahrlehrer-Verbänden angeschrieben, damit diese als Multiplikatoren das Thema möglichst in die Ausbildung mit ein fliesen lassen.
Das war die erste Mail:
Seit vielen Jahren fahre ich – trotz Autobesitz auch Strecken um die 20-30 km – meist mit einem S(Speed)-Pedelec – wie bei Ihnen sicherlich bekannt, muss ich ZWINGEND die Fahrbahn benutzen, da es als Kleinkraftrad gilt.
Leider scheinen viele Autolenkende dies nicht zu wissen, folglich werde ich extrem häufig von diesen angehupt, beschimpft und nicht selten – sehr riskant – bedrängt, was auch von den meisten anderen S-Pedelec-Nutzenden berichtet wird. Insbesondere ist dies der Fall, wenn in unmittelbarer Nähe etwas zu sehen ist, was nach Radweg aussieht, da das S-Pedelec ja den Anschein eines Fahrrads erweckt und oft wird das Kennzeichen gar nicht wahrgenommen.
Ich bin mir natürlich bewusst, dass bzgl. der Älteren nicht viel zu machen ist, aber zumindest wäre es wünschenswert, dass bei den Fahranfängern deutlich auf diesen neuen Fahrzeugtyp und die dafür geltenden Regeln hingewiesen wird (und auch auf die für Radfahrende – v.a. keine Radwegbenutzungspflicht ohne Schild).
S-Pedelec-FahrerInnen würden sich sehr freuen, wenn sie in Zukunft, solange die Pflicht zur Fahrbahnnutzung bestehen bleibt, dort weniger Risiken ausgesetzt wären und damit auch ein angenehmeres Fahrgefühl genießen könnten, ohne ständige Gefahr im Nacken.
Eine Hoffnung ist auch, dass dadurch einiges an Autoverkehr vermieden werden könnte, wenn die Bedingungen attraktiver wären, was nicht nur der Gesamtbevölkerung (durch weniger Abgase, Flächenverbrauch, Lärm, Gefahren, Kosten für Straßenerhalt) zu Gute käme, sondern letztlich auch den Autofahrenden selbst (Reduktion von Staus).
Auch könnte man den Fahrschülern zumindest für einen guten Teil von Wegen solche Alternativen zum Auto schmackhaft machen …
Es wäre schön, wenn die Fahrlehrer-Verbände in ihren Informationen für Mitglieder mehr Bewusstsein für das Problem schaffen.
Gerne bin ich auch bereit Ihnen – ehrenamtlich – entsprechende Texte zur Veröffentlichung vorzubereiten.
Ferner wäre es interessant, welche Meinung die FahrlehrerInnen zum Radwegeverbot für S-Pedelecs vertreten.
Durch sehr viele riskante Überholmanöver, die dadurch insbesondere auf Landstraßen provoziert werden, halte ich die aktuellen Regelungen auch für eine große Gefahr für den wesentlich schnelleren KFZ-Verkehr.
Falls Sie das Thema S-Pedelec insgesamt interessiert, finden Sie umfassende Informationen auf meiner Webseite
Die Resonanz
war nicht riesig, natürlich bekam ich auch einige skeptische Meinungen zur Radwegefreigabe, eine mit umfangreichen Ausführungen zum Bremsweg …
Am Ende zeigten sich immerhin 3 Verbände durchaus interessiert, man wolle in Newslettern etc. dazu berichten und man hat mich sogar zu Versammlungen eingeladen, um dazu zu sprechen. So umfangreich und kompliziert ist das Thema nun aber auch nicht, dass ich für ein kurzes Referat unbedingt eine weite Reise antreten möchte, deshalb hab ich mich dann daran gemacht, eine Präsentation zu erstellen, die auch andere vortragen könnten.
Da diese ja dann schon in der Welt war, hab ich alle nochmal angeschrieben, um sie zur weiteren Verwendung zugänglich zu machen.
Hier nun diese zweite Mail:
kürzlich hatte ich Sie angeschrieben bzgl. der schwierigen Situation für S-Pedelec-Fahrende.
Da auch teilweise Interesse bekundet wurde, habe ich dazu eine kurze Präsentation erstellt, die die Kernpunkte der Problemlage übersichtlich darstellt, das PDF ist anzusehen unter https://drive.google.com/file/d/[…]view?usp=sharing (für Feedback ist die Kommentarfunktion freigeschaltet), gerne schicke ich sie auch direkt als PDF oder als Powerpoint-Datei/pptx zu.
(Und nun auch hier)
Oder da auch zum Nachbearbeiten als Powerpoint-Präsentation
Parallel zur Präsentation habe ich auch einen inhaltlich gleichen Text verfasst zur alternativen Verwendung, dieser folgt sogleich hier drunter (leider wurde die schönere Word-Formatierung nicht gut in die Mail übernommen) …
Da also die Präsentation als Text:
S-Pedelecs sind eine relativ neue und wegen ihrer Seltenheit eine in der Bevölkerung bisher wenig bekannte Fahrzeuggattung. Mit einem flüchtigen Blick erscheint alles ganz einfach, wegen einer möglichen Geschwindigkeit bis 45 km/h gelten schlicht die Regelungen für 4 KW Mopeds, allerdings ergeben sich aufgrund von ziemlich unterschiedlichen Fahreigenschaften und dem Erscheinungsbild als „Fahrrad“ speziellere Problemlagen.
Kurzer Überblick
S-Pedelec = ein Pedelec, dessen Motor
das Treten bis zu 45 km/h unterstützt
mit der 1-4 fachen Kraft (100-400%), die vom Fahrenden selbst aufgebracht wird
Es gilt als Kleinkraftrad der Klasse L1e-B: leichte 2-rädrige KFZ
Aber nur – und das ist hier entscheidend! – mit üblicherweise 250 bis 1000 Watt = 0,25-1 Kw
Die Ihnen bekannten, wichtigsten rechtlichen Folgen:
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- Mit Führerschein ab AM (ab 15/16 Jahre)
- Versicherungspflichtig
- Fahrbahnbenutzungspflicht bzw. Radwege und landwirtschaftliche Wege verboten (auch bei „Mofa frei“ Schild)
- Mit Rückspiegel und orangen Seitenreflektoren
- Nur mit „geeignetem“ Helm (Motoradhelm)
Für die besonderen Risiken spielen die folgenden Faktoren eine wichtige Rolle:
Fahrräder und 25er-Pedelecs sowie Mopeds. werden ihrem Erscheinungsbild entsprechend wahrgenommen als das was sie sind und damit wird auch ihre übliche Geschwindigkeit richtig eingeschätzt.
S-Pedelecs wirken auf den ersten Blick allerdings wie „Fahrräder“,
können jedoch auch so schnell sein wie Mopeds.
Andererseits sind sie aus verschiedenen Gründen (Straßenverhältnisse, Wind, Steigung usw.) häufig langsamer und oft stellen sie damit ein erhebliches Verkehrshindernis dar.
Im Vergleich zum Moped, wo die Betätigung des Gasgriffes für weitgehende Höchstgeschwindigkeit ausreicht, kann diese beim S-Pedelec stark variieren.
Diese können gefahren werden mit rund 50 – 400 Watt reiner Muskelkraft oder diese bis zu 4 x Unterstützung, begrenzt auf ca. 1 KW das sind dann bei z.B. bei schon sportlichen 150 Watt Muskelkraft im Mittel 750 Watt = 0,75 KW
V Ø um die 25 km/h, vorwiegendes Reisetempo oft 25 – 35 km/h
Abgesehen vom Seitenspiegel, den auch Fahrräder haben können, sind Unterschiede zum Fahrrad aus der Ferne kaum erkennbar, evtl. anhand der Art des Tretens, von Vorne gibt es keine klaren Unterschiede!
Von hinten wäre das Kennzeichen ein Unterscheidungsmerkmal – das wird aber oft übersehen,
da das S-Pedelec auf ersten Blick wahrgenommen wird als „Fahrrad“, NICHT als KFZ bis 45 km/h
Extrem häufig werden diese Probleme berichtet, bei denen die Arbeit in Fahrschulen dazu verhelfen kann, diese zu reduzieren:
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- Auch wenn sehr unangenehm, sind noch am wenigsten schwerwiegend die tagtäglichen Anfeindungen, weil Nutzung der Fahrbahn nicht verstanden wird, per Anhupen, Handzeichen, erzieherisches Schneiden, jedoch auch öfter mal grenzwertig gefährlich.
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- Man ist als S-Pedelec-Fahrender im Zwiespalt, wenn man sich regelkonform verhalten will, stellt man leider ein lästiges Verkehrshindernis dar, besonders auf Landstraßen. Etwas mehr Verständnis täte gut, da man ja andere nicht schikanieren will, sondern das so tun muss.
Echte Gefahr birgt regelmäßig oder man kann sagen, fast andauernd, das Unterschätzen der möglichen Geschwindigkeit.
Ganz besonders beim Überholen:
wenn auch nicht die Regel, kann Geschwindigkeit eben auch 45 km/h betragen.
Autofahrende sehen „ein Fahrrad“ und unterschätzen damit auch die für Überholvorgang erforderliche Zeit bzw. Strecke
– oft wird sehr knapp vor dem S-Pedelec wieder eingeschert
– sehr riskant mit Gegenverkehr
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- Sensibilisieren für diese schnellen „Fahrräder“, dass man sie am Kennzeichen erkennen kann
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- und das Überholen um einiges mehr Spielraum erfordern kann als beim Fahrrad
Einfahren aus Einmündungen und Kreuzen der Fahrbahn
Siehe oben – Unterschätzen der Geschwindigkeit des herannahenden „Fahrrads“
Den meisten S-Pedelec-Fahrenden ist diese Gefahr bewusst und sie achten vorausschauend darauf
- Sensibilisieren für diese schnellen „Fahrräder“ und dass man damit rechnen sollte
- Dass ein Rückspiegel und Tagfahrlicht darauf hindeuten kann, aber nicht muss
Update 09.2024: Tatsächlich wurde im Berliner Verbandsheft nun darüber berichtet, jemand des Verbandes kam auf mich zu, er wolle auch in seinem Fahrlehrerverband dazu berichten. Das freut mich nun schon, dass mein Rundschreiben zumindest ein bisschen etwas erreicht hat …
Update zum Update: Ja, auch im Mecklenburg-Vorpommerischen Verbandsheft wurden die Infos – in abgespeckter Form – abgedruckt. Man hat mit ein netterweise Belegexemplar geschickt 🙂