Zum Weltfrauentag: Das S-Pedelec als Mobilitätsoption für Frauen

Frau auf Fahrrad bzw. Pedelec mit Kinderfahrradanhänger, foto vom pd-f

An einigen anderen Stellen habe ich immer wieder mal erwähnt, welche Probleme durch die Regelungen für S-Pedelecs für deren Nutzung für Frauen entstehen bzw. sie von deren Nutzung ausschließen, das gilt natürlich auch für Männer, die sich der Familienarbeit widmen. Ich denke, es ist ziemlich unstrittig, dass dies eben eher Frauen betrifft, als solche spreche ich nun hier hauptsächlich in deren Namen.
Hier möchte ich die relevanten Faktoren zusammenfassen und etwas vertiefen. Aus meinen anderen Artikeln greife ich einiges heraus (wobei es auch ein bisschen zu Überschneidungen kommt)

 

Aus Mobilitätsstudien ist bekannt, dass Frauen wesentlich mehr Wegeketten zu bewältigen haben. (MiD)
Hier ein – vielleicht auch etwas übertriebenes – Beispiel, aber auch nicht weit entfernt vom Alltag – ganz im Wortsinne – vor allem von Müttern, aber auch vielen pflegenden Frauen:
Morgens Kinder zur Schule begleiten, vielleicht ein/zwei andere noch zum Kindergarten, einen Brief zur Post bringen, Altpapier entsorgen, dann 10 km zur Arbeit. Zwischendrin nochmal zurück, um ein Fahrzeug zu wechseln, ist zeitlich nicht drin.
Auf dem Rückweg ein paar Besorgungen, Medikamente bei der Oma abliefern, bevor frau ein Kind vom Hort und weitere vom Turnen abholt, bis zu 10 Stunden später kommt sie mehr oder weniger entkräftet wieder zu Hause an.

Man sollte es den Frauen nachsehen, die für all das am liebsten das Auto zu nutzen. Noch dazu sind diese Anforderungen oft zeitlich streng getaktet. Da kann eine 15 Minuten Verzögerung schnell mal einiges durcheinander bringen, weshalb die Nutzung des ÖPNV oft besonders herausfordernd ist. Auch mit dem Fahrrad wird einem je nach Länge der Strecken eines abverlangt, womit wir nun zum S-Pedelec kämen.

In meiner Laudatio schrieb ich über das
S-Pedelec für Familien

Als Mutter von 2 Kindern möchte ich betonen, welch tolle Mobilitätslösung das S-Pedelec auch für – oft unter Zeitdruck stehende – Familien bieten könnte.

Man hört es oft, man/frau brauche ein (zweites) Auto wegen der Kinder. Um ein Auto perfekt zu ersetzen, müssten beim S-Pedelec zwei wichtige Dinge möglich sein:

    • Am S-Pedelec müsste das Ziehen eines marktüblichen Kinderanhängers (ggf. mit Prüfzeichen bis zu einer Höchstgeschwindigkeit) gestattet sein

Mir ist nur ein S-Lastenrad, das Load von Riese und Müller, bekannt, in dem man auch Personen transportieren darf: Das ist zwar auch eine Lösung, aber ich bin mehr ein Fan von Anhängern. Damit kann man das Kind zur Kita bringen, lässt den Anhänger dort stehen, und fährt die 20 km zur Arbeit ohne unnötige Last. Jemand anderer kann das Kind dann auch abholen, was eine willkommene Vereinfachung der Logistik bedeutet.
Mehr Details bei Anhänger am S-Pedelec
An anderer Stelle schrieb ich: Aber klar (…Ironie), solange man mit einem S-Pedelec sogar an einer Bundesstraße auf die Fahrbahn muss, ist es besser, der Kinderanhänger am S-Pedelec bleibt verboten.

    • Das Begleiten von anderen Radfahrenden auf Radwegen müsste erlaubt werden. In der Schweiz, wo es eine allgemeine Pflicht zur Radwegnutzung mit S-Pedelec gibt, sind keine großen Probleme bekannt

Man stelle sich vor, Mama fährt 10-15 km/h auf der Straße, rechts von ihr parkende Autos, noch ein Grünstreifen und Radweg, einige Meter entfernt auf dem Gehweg ein 6-jähriges Kind, mit dem man besonders in der Stadt ständig in Kommunikation sein muss, um es wegen der zahlreichen Gefahren ständig anzuleiten. Noch krasser und deshalb undenkbar ist es an einer Landstraße (ja, ich hatte solche Strecken, z.B. Eichenau – Hallenbad Germering), wo der Radweg oft noch viel weiter von der Straße entfernt und/oder auf der anderen Seite ist.
So wie es auch für Radfahrenden erlaubt ist, Kinder auf dem Gehweg zu begleiten oder dem daneben liegenden Radweg, sollte dies auch S-Pedelec-NutzerInnen gelten, denn wer fährt mit Kind im Schlepptau 30 geschweige denn 45 km/h …?

Meine Kids sind schon groß, aber oft denke ich daran, wie sehr ich es früher zu schätzen gewusst hätte, wenn ich im wahrsten Sinne des Wortes gute Unterstützung für die vielen – damals fast ausschließlich mit dem klassischen Fahrrad zurück gelegten – Wege gehabt hätte. Es z.B. auf dem Rückweg von der Arbeit bei der Abholung von 2 Kindern mit Anhänger samt Einkauf mit Leichtigkeit den Sendlinger Berg hoch zu schaffen. Und wie sehr ich es nun den neuen Generationen von Müttern gönnen würde.

Generell gilt wahrscheinlich für alle: Wenn man sich schon so ein relativ teures Fahrzeug anschafft, dann wünscht man sich auch, dass man es möglichst multifunktional einsetzen kann, eben als Pedelec und als Speed-Variante für weitere Strecken. So wie man ein Auto eben auch in der 30er Zone sowie auf der Autobahn nutzt.
Und nicht alle haben das Geld oder Platz für einen Fuhrpark verschiedenster Räder …

Dort schrieb ich:
Wie es in einem Artikel vom Stern heißt: „Und damit ist ein S-Pedelec für die meisten Kunden unbrauchbar. Um mit der Familie am Wochenende einen Ausflug zu machen, bräuchten sie ein Zweitrad für niedrige Geschwindigkeiten.“
Ich ergänze: Besonders für Frauen, aber natürlich auch einige Männer, die Familienarbeit leisten, ist das S-Pedelec als Alltagsfahrzeug kaum geeignet, wo es doch gerade dabei eine willkommene Erleichterung bieten könnte – Kinder im Anhänger nicht erlaubt (absurderweise im gefährlicheren Kindersitz schon), Begleitung von Kind auf Radweg auch verboten – so kann man nicht einfach mal auf den oft langen Wegketten die Kinder mitnehmen/abholen/wo hin bringen, Einkäufe erledigen usw., da bleibt man/frau doch lieber beim Zweitwagen …

Wahrscheinlich ist es somit wenig verwunderlich, dass von den S-Pedelec-Nutzenden nur geschätzte 10% Frauen sind.
Es könnte auch schlicht an den unterschiedlichen Arbeitsbedingungen liegen (da S-Pedelecs vorwiegend dem weiteren Pendeln dienen).
Außerdem – so meine Interpretation – noch an dem ausgeprägteren Sicherheitsbedürfnis von Frauen, die eben noch weniger bereit sind Risiken einzugehen. Mein eigenes Empfinden ist so, dass ich mir meiner Verantwortung gegenüber meinen Kindern und zu versorgenden Senioren sehr bewusst bin und welche gravierenden Folgen mein Ausfall für alle haben würde, sodass ich dann eben doch immer wieder mal lieber den Radweg nehme, anstatt mich sinnlos in Gefahr zu bringen. Eine Frage, die ich öfter stelle: Was würden Sie Ihren Angehörigen empfehlen? …

 

Einige Male hab ich schon die Kritik am S-Pedelec gehört, es sei wegen der ziemlich hohen Preise (u.a. wegen komplizierter Zulassungsverfahren), nur etwas für besser gestellte Menschen.

Ich stimme teilweise zu, man könnte es jedoch auch so sehen:
Insgesamt ist es wesentlich günstiger als Anschaffung und Unterhalt eines Autos und könnte damit eine Alternative sein, für diejenigen, für die ein Auto zu teuer wäre, z.B. könnte es sehr hilfreich sein für die viel zitierte „alleinerziehende Krankenschwester auf dem Land“, wo der oft sehr unzureichende ÖV vieles sogar unmöglich macht. Damit könnten S-Pedelecs durchaus einen Beitrag zu einer gerechteren Verteilung der sozialen Teilhabe leisten, zumindest für die Bevölkerungsgruppen mit mittleren Einkommen. Aber sogar mit geringem Einkommen fährt man – im wahrsten Sinne des Wortes – man mit einem gebrauchten S-Pedelec nicht schlecht. Die Versicherungskosten von 30 €/Jahr kann man sich leicht leisten und wenn ich es mal mit unserem ÖPNV –Abo vergleiche, hat sich das einige Tausend teure S-Pedelec in einigen Jahren amortisiert, mit guter Wartung bleibt es ja auch lange darüber hinaus einsatzfähig. (Pedelecforum)

Die höheren Anschaffungskosten ließen sich auch besser bewältigen, wenn die Förderung durch z.B. Jobrad vereinfacht werden würde. Ich sehe es generell auch nicht ein, dass E-SUVs mit hohen Summen subventioniert werden, aber Fahrräder und (S-) Pedelecs mit kleinsten Vergünstigungen abgespeist werden ( – wo bleibt das Mobilitätsgeld für alle?!).

Also zusammenfassend kann ich nur dringlich dazu auffordern, die Regelungen für S-Pedelecs entsprechend so anzupassen, dass sie für den Einsatz für die Familienmöbilität wirklich geeignet sind.

Damit könnten sie gut zur Verbesserung der Lebensumstände von Frauen beitragen, indem sie die Mühen verringern, welche ihnen durch die vielen Herausforderungen der Wege für die Care-Arbeit abverlangt werden.

Somit von mir ein klares Pro-S-Pedelec für Frauen! Damit auch sie deren Vorzüge auskosten können …

 

Siehe auch https://www.vcd.org/artikel/feministische-verkehrspolitik/

 

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